| Titel: | Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre Bedeutung. | 
| Autor: | W. Landgräber | 
| Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 153 | 
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                        Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre
                           								Bedeutung.
                        Von W. Landgräber,
                           								München.
                        LANDGRÄBER, Porzellan, Speckstein, Steinzeug und ihre
                           								Bedeutung.
                        
                     
                        
                           Jüngst haben sich die Porzellanfabrik Kahla und Steatit-Magnesia A.-G. in Pankow
                              									geeinigt, sich an der früheren englischen Fabrik der Steatit-Magnesia A.-G., der
                              									jetzigen Clay Ring Co. Ltd., London, zu beteiligen. Diese Fabrik, die während des
                              									Krieges an eine Gruppe englischer Firmen unter maßgebender Beteiligung der Imperial
                              									Chemical Industries Ltd. (Chemietrust) übergegangen ist, soll zusammen mit dieser
                              									Gruppe in großem Maße ausgebaut werden, um die Porzellan- und Steatitfabrikate der
                              									beiden deutschen Firmen für Hoch- und Niederspannungs-Isolatoren herzustellen.
                           Im Fichtelgebirge liegt – inmitten bewaldeter Höhen – nahe der Schnellzugstrecke
                              									Hof-München der Wunsiedler Kalkzug. Er hat von jeher das besondere Interesse der
                              									Wissenschaft auf sich gezogen. Dieser Kalkzug dehnt sich vom Fuße der Kösseine über
                              									das Städtchen Wunsiedel bis zum Bahnhof Holenbrunn und findet seine Fortsetzung in
                              									einem Dolomitrücken über Sinatengrün nach Göpfersgrün. Hinter Göpfersgrün tritt an
                              									Stelle des Dolomit, der aus kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia besteht, der
                              									Speckstein, auch Steatit genannt (ein wasserhaltiges Magnesia-Silikat). Die
                              									handelsübliche Bezeichnung Speckstein wird auf andere Mineralien, die in- und
                              									außerhalb Bayerns zu finden sind, ausgedehnt, doch weichen sie von dem Göpfersgrüner
                              									Vorkommen ab, so daß letzeres als einzigartig in der Welt zu bezeichnen ist. Auf
                              									Grund von Forschungsergebnissen der jüngsten Zeit, welche von den besten Kennern
                              									dieser Lagerstätten – wie Dr. Laupmann, München – gewonnen wurden, ist man zu der
                              									Ansicht gekommen, daß die Bildung dieses Specksteines nur aus der Einwirkung heißer,
                              									magnesiahaltiger Thermen hervorgerufen sein kann.
                           Ueberlieferungen in Wunsiedel und Weißenstadt aus dem Jahre 1251 deuten darauf hin,
                              									daß der dort liegende Speckstein schon damals Verwendung gefunden hat; man weiß
                              									bestimmt, daß im Mittelalter Flintenkugeln daraus hergestellt wurden. Etwa im Jahre
                              									1810 wurde seine Gewinnung vom bayrischen Staat aufgenommen, ohne daß man einen
                              									besonderen Verwendungszweck dafür hatte. Es sind Schmuckschnitzereien, Pfeifenköpfe,
                              									Schalen und Dosen aus jener Zeit in wenigen Exemplaren vorhanden; doch scheint aus
                              									dieser Art von Verwertung eine Rentabilität nicht vorhanden gewesen zu sein.
                              									Schließlich veräußerte der bayrische Staat die Gruben, die Förderanlagen und die
                              									Mutungsrechte an das Handelshaus J. v. Schwarz. Nürnberg, etwa um das Jahr 1850.
                           Dieses Haus unternahm unter befreundetem Beistand des großen Chemikers Justus v.
                              									Liebig die Herstellung von Gasbrennern und erzielte damit bis in die Jetztzeit
                              									bedeutende Erfolge. Neben dem Staatsbetrieb beuteten ansässige Bauern südlich der
                              									Staatsstraße nach Thiersheim 2 Gruben aus, die im Jahre 1871 von der Firma Lauboek
                              									& Hilpert als erstes Konkurrenzunternehmen ausgewertet wurden. An dritter Stelle
                              									trat dann die Firma Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, mit der von ihr erworbenen
                              									Emilienzeche. Um die Jahrhundertwende etwa ging das gesamte Vorkommen einschl. einer
                              									Mutungsfläche von etwa 800 ha in den gemeinsamen Besitz der Firmen J. v. Schwarz und
                              									Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, über. Diese Zusammenfassung ermöglichte die
                              									Anlage neuzeitlicher Förder-, Pump- und Mahl-Einrichtungen und damit einen
                              									rationellen Tage- und Tiefbau.
                           Die fabrikatorische Verarbeitung des Specksteines zu Gasbrennern, die allmählich
                              									ihren Weg über die ganze Welt nahmen, zeigte bald, daß dieser Rohstoff auch anderen
                              									Zwecken dienstbar gemacht werden konnte. Man erkannte neben der Zähigkeit und
                              									Festigkeit einen hohen Isolationswert und ermöglichte die Herstellung der sehr
                              									bekannt gewordenen Zündkerzen-Isolationen für Verbrennungsmotoren. In den
                              										„Bosch“- und in vielen anderen hervorragenden Zündkerzen gelangt der 
                              									Rohstoff heute noch in vielen Millionen Stücken im In- und Auslande zur
                              									Anwendung. Mittlerweile brachte die Einführung der Azetylenbeleuchtung bei
                              									Automobilen, Fahrrädern, Grubenlampen usw. ein weiteres Absatzgebiet. Gas- und
                              									Azetylenbrenner konnten nur aus stückigem Rohspeckstein hergestellt werden, der sich
                              									in dem nestartigen Vorkommen des Rohstoffes zwischen mulmartigen Ablagerungen
                              									vorfand. Es fielen bei der Förderung große Mengen kleinstückigen und bröckligen
                              									Specksteins an, die – nur zu feinem Mehl gemahlen – weiterer Verarbeitung zugeführt
                              									werden konnten. Hierzu bot die Entwicklung der Elektrotechnik ein weites
                              									Betätigungsfeld. Hinzu kam, daß die Beleuchtung der Automobile, der Fahrräder und
                              									Grubenlampen mehr und mehr durch die Elektrizität in den Hintergrund gedrängt wurde.
                              									Unter wissenschaftlicher Mithilfe forschte man nach neuen Absatzgebieten und stellte
                              									bald fest, daß die dem ausgezeichneten Rohstoff eigentümliche Beschaffenheit – wie
                              									Zähigkeit, Zug- und Schlagbiegefestigkeit sowie Temperaturbeständigkeit, vornehmlich
                              									aber der sehr geringe Schwindungskoeffizient – sich in hervorragendem Maße zur
                              									Herstellung aller Arten von Isolationen der Hoch- und Niederspannung eigneten. Wegen
                              									seiner geringen Schwindung bei hohen Temperaturen genießt Steatit im Gegensatz zu
                              									den meisten anderen keramischen Rohstoffen einen besonderen Vorzug, weil es möglich
                              									ist, die feinsten Preßstücke mit hoher Präzision herzustellen. Versuche im
                              									Schlagapparat ergaben, daß Steatit infolge der ihm innewohnenden Elastizität ein
                              									Mehrfaches des hochwertigsten Porzellanes aushält, so daß Steatiträdchen in fast
                              									allen Schaltvorrichtungen in Millionen von Stücken dauernd benutzt werden.
                           Um die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts brachte die Erfindung des
                              									Glühlichtstrumpfes durch Dr. Auer v. Welsbach eine Umwälzung in der Gasbeleuchtung
                              									hervor. Die Befestigung dieses Lichtträgers in dem Metallbrenner, der eine
                              									außerordentlich hohe Temperatur entwickelte, geschah zunächst durch Metallstifte.
                              									Diese mußten wegen der lichtabsorbierenden Eigenschaft durch solche aus
                              									gewissermaßen mitleuchtenden Stoffen hergestellte ersetzt werden. Ursprünglich
                              									versuchte man, den Träger, handelsüblich „Magnesiastift“ genannt, aus reiner
                              									Magnesia herzustellen. Die unplastische Eigenschaft dieses Stoffes gestattete keine
                              									zuverlässige Innehaltung der Abmessungen, und so trat zum ersten Mal an die Keramik
                              									die Frage heran, Millionen von Gabelstäbchen in gleichmäßiger Länge und von genauem
                              									Durchmesser zu mäßigem Preise auf den Markt zu bringen. Dieser Fabrikation widmete
                              									sich zunächst die Firma Ernst Hildebrandt in Berlin-Pankow. Sie erwarb sich in
                              									kurzer Zeit durch ihr vorzügliches Fabrikat einen Weltruf. Nach wenigen Jahren wurde
                              									der aufrechtstehende Auer-Glühstrumpf durch den nach unten gerichteten (sogenannten
                              									hängenden) Brenner verdrängt, da die Gasbeleuchtung im Konkurrenzkampf mit der
                              									Elektrizität die elektrische Beleuchtungsart nachzuahmen gezwungen war. Diese
                              									Lampenkonstruktion bedingte eine gänzlich neue Art der Glühkörperbefestigung. Die
                              									Metallteile mußten gegen die abströmenden heißen Verbrennungsgase geschützt
                              									werden. So entstand das Brenner-Mundstück, an dem der Glühkörper, wie allgemein
                              									bekannt, durch einen Ring aufgehängt wurde. Diese beiden wichtigen Brennerteile
                              									mußten aus einem außerordentlich temperaturwechselbeständigen keramichen Stoff der
                              									Auswechselbarkeit wegen in höchster Präzision hergestellt werden. In kurzer Zeit
                              									vermochte die Firma Ernst Hildebrandt im Verein mit der Firma Magnesia Co. die
                              									Führung auch auf diesem Gebiet zu übernehmen. Die Fabrikation bezifferte sich nach
                              									Ablauf eines Jahrzehntes auf eine Jahresleistung von etwa 120 Millionen Stück.
                           Der Krieg und seine Nachwirkungen brachten aber auch auf diesem Gebiet große
                              									Umwälzungen mit sich. Der Ausbau der Elektrizitätswerke, gefördert durch die
                              									Errichtung großer Wasserkraftstationen, drängte im In- und Ausland die
                              									Gasbeleuchtung in den Hintergrund, und so beschäftigten sich die inzwischen zur
                              									Vereinigten Magnesia Co. und Ernst Hildebrandt A.-G. zusammengeschlossenen Werke in
                              									Berlin unter Ausnützung ihrer reichen Erfahrungen im Präzisionsmatrizenbau mit der
                              									Herstellung hochwertiger Isolationen, insbesondere für die Elektro-Wärmetechnik, für
                              									die chemische und metallurgische Industrie.
                           In diesem Streben traf sie zusammen mit den süddeutschen Unternehmen J. v. Schwarz,
                              									Nürnberg, und Jean Stadelmann & Co., Nürnberg, da sie in den abgelaufenen
                              									Jahrzehnten im Gasglühlichtgeschäft gemeinsame Abnehmer und in der
                              									Rohstoffverarbeitung eine gemeinsame Basis hatten. Der Zusammenschluß der genannten
                              									Firmen ermöglichte in jüngster Zeit die Errichtung eines wissenschaftlichen
                              									Laboratoriums, den Ausbau elektrischer Prüffelder und die Uebertragung bisher
                              									unausgewerteter Erfahrungen und Erfindungen im Automatenbau auf alle Werke. Das
                              									Unternehmen ist dadurch in den Stand gesetzt, erhöhten Anforderungen auf dem Gebiet
                              									der Hochspannungs-Isolatoren gerecht zu werden, und vermag in steigendem Maße seine
                              									Produkte in andere Industrien einzuführen und so dem bisher zu wenig beachteten
                              									Specksteinrohstoff zum Vorteil unzähliger Verbraucher Geltung zu verschaffen.
                           Amerika hat nach Dr. Singer bereits im Jahre 1900 die erste 80000 V-Ueberlandleitung
                              									gebaut. Diese Spannung genügte bald nicht mehr. Man kam 1907 auf 110000 V und in
                              									rascher Entwicklung wurden im Jahre 1920 220000 V erreicht. Deutschland nahm 110000
                              									V-Leitungen im Jahre 1912 im Betrieb und 1928 die 220000 V-Leitung. In beiden
                              									Ländern plant man bereits jetzt eine Erhöhung der Uebertragungsspannung auf 380000
                              									V, um mit dieser steigenden Stromspannung die Elektroverluste bei der Uebertragung
                              									auf große Entfernungen zu vermindern und die Konkurrenzfähigkeit der
                              									Krafterzeugungszentralen zu erhöhen. Dieser wirtschaftliche Wettbewerb erzeugte die
                              									interessantesten technischen Probleme. In Amerika, wo es sich um außerordentlich
                              									viel größere Uebertragungsstrecken bzw. Kohlentransporte handelt, erfolgte dadurch
                              									zwangsweise eine viel raschere Steigerung der verwendeten Spannung als in
                              									Deutschland.
                           Diese ununterbrochene Entwicklung der Elektrotechnik zu immer höheren Stromstärken
                              									stellte 
                              									dauernd wachsende Ansprüche an die verwendeten Isolierstoffe und führte dadurch
                              									dem seit Jahrzehnten benutzten und altbekannten Porzellan die neuen Isolierstoffe
                              									Steinzeug und Steatit an die Seite, welche die Ansprüche befriedigen müssen, für die
                              									Porzellan nicht mehr genügt. Eine Gegenüberstellung der physikalischen Ziffern von
                              									Porzellan, Steinzeug und Steatit (siehe nachstehende Zahlentafel) veranschaulicht
                              									bereits die Ueberlegenheit der mechanischen Festigkeiten von Steatit gegenüber den
                              									anderen dichten keramischen Materialien auf der ganzen Linie. Die Vorzüge des
                              									Steinzeugs gehen aus dieser Zahlentafel nicht klar hervor. Was zifferngemäß jedoch
                              									nicht erweisbar ist, wird ohne weiteres ersichtlich, wenn man die Größen der
                              									herzustellenden Stücke aus den drei Isolierstoffen berücksichtigt. Die dauernd
                              									steigende Spannung für die Elektrizitätsübertragung bedingt zwangsweise in sehr
                              									vielen Fällen das Größerwerden der verwendeten Isolatoren. Die Größe der einteilig
                              									aus Porzellan hergestellten Stücke ist jedoch wesentlich beschränkter als die
                              									Grenzen der Steinzeugindustrie. Nur Steinzeugisolatoren kann man bis zu einer Länge
                              									von 8 m aus einem Stück, frei von jeder Kittstelle und sonstiger Verbindung
                              									anfertigen. Der große Vorteil dieses Verfahrens und der danach hergestellten Stücke
                              									ist elektrotechnisch die Schaffung eines vollkommen homogenen, absolut dichten
                              									Materials, während andere Werkstoffe für diesen Zweck vielfach durch Zusammenkitten,
                              									Zusammenflanschen, und durch Zusammenglasieren verbunden werden.
                           
                              
                                 
                                 Steinzeug
                                 Porzellan
                                 Steatit
                                 
                              
                                 Druckfestigkeit                  kg/cm
                                 5800–7900
                                 4500–5500
                                 8000–9200
                                 
                              
                                 Zugfestigkeit                  kg/cm
                                 160–250
                                 240–520
                                 550–750
                                 
                              
                                 Biegefestigkeit                  kg/cm
                                 600–950
                                 400–900
                                 950–1200
                                 
                              
                                 Elastizitätsmodul                 kg/mm
                                 4200–5600
                                 etwa 8000
                                 etwa 10000
                                 
                              
                                 Torsionsfestig-    keit       kg/mm
                                 210–230
                                 250–500
                                 500
                                 
                              
                                 Kugeldruckprobe
                                 800–1000
                                 650–1400
                                 1300–1800
                                 
                              
                                 Schlagbiege-    festigkeit              cmkg/cm
                                 1,8–2,5
                                 1,9–2,1
                                 2,3–2,8
                                 
                              
                                 Trommelprobe    Gewichtsvrl.                    v.
                                    											H.
                                 2,6–6,5
                                 –
                                 etwa 4
                                 
                              
                                 Sandstrahl-    abnutzbarkeit    Verlust        cm
                                 2,0–5,0
                                 etwa 3
                                 unter 2,0
                                 
                              
                                 Lineare Aus-    dehnungszahl
                                 3,5–4,9 10–
                                 3,0–4,5 10–
                                 4,1–8,3 10–
                                 
                              
                                 Wärmekapazität,    spezifische    Wärme    zw.
                                    											17 ∙ 100 C°
                                 0,186–0,190
                                 0,20–0,25
                                 0,19–0,20
                                 
                              
                                 Wärmeleitfähig-    keit
                                    											kcal/m/h                        C°
                                 1,0–1,25
                                 0,9
                                 2,3–2,4
                                 
                              
                           Aus diesem Grunde wurden – zum erstenmal im Jahre 1921 – einteilige
                              									Steinzeugisolatorer von 2050 mm Länge verwendet. Seit jener Zeit ist der Umfang der
                              									benutzten Steinzeugisolatoren außerordentlich gewachsen und die größten bisher
                              									überhaupt hergestellten Stücke haben 2500 mm Länge. Größere Stücke wurden bisher von
                              									der Elektrotechnik nicht verlangt. Für andere Zwecke der chemischen Industrie
                              									stellt, die Steinzeugindustrie bereits Rohre aus einem Stück, frei von jeder Kitt-
                              									und Garnierstelle, von 8 m Länge her. Diese ungefähre Grenze der herstellbaren
                              									Isolatorenlänge genügt zweifellos für eine Reihe von Jahren für alle eventuellen
                              									Bedürfnisse der Elektrotechnik.
                           Die Steinzeugindustrie war zu dieser Fabrikation großer Stücke durch ihre Tradition
                              									und ihre bisherige Betätigung seit Jahrhunderten prädestiniert. Seit Jahrzehnten
                              									werden aus Steinzeug Rohre für Kanalisationszwecke in allen benötigten Abmessungen
                              									in erstklassiger Qualität hergestellt; die glänzende Entwicklung der chemischen
                              									Industrie im vergangenen Jahrhundert ist undenkbar ohne den Werkstoff
                              										„Steinzeug“ für Gefäße, Maschinen, Zentrifugalpumpen, Exhaustoren usw.
                              									Die größten Gefäße aus Steinzeug, die regulär hergestellt werden, haben einen Inhalt
                              									von 4000 bis 6000 l.
                           Steatit zeichnet sich durch seine außerordentlich große mechanische Festigkeit aus.
                              									Die physikalischen Ziffern der obigen Zahlentafel geben den Vergleich und begründen
                              									sofort, daß überall da, wo die mechanische Beanspruchung eines Isolators besonders
                              									groß ist, Steatit große Vorzüge vor Porzellan besitzt. Mit der geschilderten
                              									Entwicklung der Hochspannungstechnik im Ueberlandleitungsbau wurde auch die
                              									Beanspruchung der Freileitungsisolatoren dauernd gesteigert. Ein weiterer
                              									überraschend großer Vorteil des Steatits ist der außerordentlich große Grad der
                              									Genauigkeit, mit der dieses Material herstellbar ist. Daneben kommt Steatit für alle
                              									diejenigen Preßartikel in Betracht, bei denen neben der Genauigkeit die mechanische
                              									Festigkeit eine ausschlaggebende Rolle spielt. Dies sind heute eine größere Anzahl
                              									der benutzten elektrotechnischen Isoliermaterialien.
                           Die Ursache der Größenunterschiede und der verschiedenen physikalischen Eigenschaften
                              									der drei keramischen Werkstoffe: Steinzeug, Steatit und Porzellan liegt zunächst
                              									schon in ihrer Zusammensetzung begründet. Die folgenden Formeln
                           Porzellan:
                           
                              \left{{0,25-0,50\ \mbox{CaO}}\atop{0,75-0,50\
                                 										\mbox{K}_2\mbox{O}}}\right\}2,0-4,5\ \mbox{Al}_2\ \mbox{O}_3\,.\,10,0-20,0\
                                 										\mbox{SiO}_3
                              
                           Steinzeug:
                           
                              \left{{0,25-0,75\ \mbox{CaO}+\mbox{K}_2\mbox{O}}\atop{0,75-0,25\
                                 										\mbox{FeO}}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }\right\}2,0-5,5\ \mbox{Al}_2\
                                 										\mbox{O}_3\,.\,10,0\mbox{ bis }26,0\ \mbox{SiO}_3
                              
                           Steatit:
                           1,0 MgO ∙ 0,06–0,28 Al2 O3 ∙ 1,5–2,2 SiO2
                           veranschaulichen zwar nur schematisch die prinzipiellen
                              									Unterschiede, sie lassen aber erkennen, daß der chemischen Zusammensetzung nach
                              									Porzellan und Steinzeug nicht sehr fern miteinander verwandt sind, daß dagegen der
                              									Unterschied beider Werkstoffe gegen Steatit größer ist. Die plastischen Grundstoffe
                              									sind für Porzellan: Kaolin, für Steinzeug: Ton, für Steatit: Speckstein. Kaolin und
                              									Ton, chemisch in ihren reinsten Varietäten fast identisch, unterscheiden sich durch
                              									zwei physikalische Eigenschaften maßgebend für die Praxis. Der weißbrennende Kaolin
                              									besitzt eine geringere Bildsamkeit und eine kleinere Trockenfestigkeit als der
                              									farbige Fabrikate ergebende Steinzeugton, dessen Trockenfestigkeit so groß ist, daß
                              									aus seinen 
                              									Mischungen hergestellte Isolatoren größter Abmessungen ohne wesentliche
                              									Schwierigkeit transportfähig sind, während bei dem Transport gleich großer, aus
                              									Kaolin hergestellter Porzellanisolatoren eine außerordentlich große Bruchgefahr
                              									besteht, die unter anderem die besondere Verteuerung der Porzellanisolatoren großer
                              									Abmessungen zur Folge hat. Dieser Materialunterschied hat seit Jahrhunderten die
                              									verschiedene Verwendung von Porzellan und Steinzeug bestimmt und den beiden
                              									Industrien ihren Charakter und ihre Richtung gegeben. Der Preis der großen
                              									Porzellanisolatoren hat die Elektrotechnik gezwungen, sich nach einem anderen
                              									Werkstoff umzusehen, um im allgemeinen Konkurrenzkampf auch diese großen Stücke
                              									billiger, rascher und zweckmäßiger zu erhalten. Hier kam nun das Steinzeug zu seinem
                              									Recht, das der natürliche keramische Werkstoff des Ingenieurs ist, aber für alle
                              									kleinen Gegenstände von dem mechanisch außerordentlich viel festeren Steatit
                              									übertroffen wird.
                           Grundsätzlich muß man daher vom technischen Standpunkt aus von einem
                              									Nebeneinanderarbeiten, von einer wertvollen Ergänzung der drei keramischen
                              									Werkstoffe in der Elektrotechnik sprechen, obwohl ihre Anwendungsgebiete sich heute
                              									noch vielfach überschneiden. Porzellan ist der gegebene Isolierstoff der
                              									Elektrotechnik für die unzähligen kleinen Preßartikel des gewöhnlichen Bedarfs, für
                              									den weder besonders hohe mechanische Ansprüche gestellt werden, noch besonders große
                              									Präzision gefordert wird. In gleicher Weise dient Porzellan für die zahllosen
                              									Nieder- und Hochspannungsisolatoren mittlerer Abmessungen und normaler
                              									Beanspruchungen in ausgezeichneter Weise. Steatit ist der hochwertigste Werkstoff
                              									für alle Preßartikel großer mechanischer Beanspruchung, bei verlangter großer
                              									Genauigkeit. Steatit ist überall da unersetzlich, wo es auf eine große mechanische
                              									Beanspruchung von Hochspannungsisolatoren ankommt, beispielsweise bei den auf Zug
                              									beanspruchten Motorisolatoren. Steinzeug ist der gegebene Werkstoff für alle
                              									mittleren und großen Isolatoren (von ½ bis 8 m Länge), die aus einem ungeteilten
                              									Stück benötigt werden. Dieses Nebeneinander der drei Werkstoffe veranschaulicht ihre
                              									gegenseitige Ergänzung, ihre Spezialeignung auf Sondergebieten und die natürlichen
                              									Ziele ihrer weiteren Entwicklung. Ihre Haltbarkeit ist dauernder als die von Erz.
                              									Wie wunderbar mutet es uns an, wenn wir aus tausendjährigem Grabe altrömische
                              									Werkstücke zutage fördern, die dazu bestimmt waren, Wasser unter der Erde in
                              									sich aufzunehmen. Mächtige altrömische Wasserleitungsrohre liegen vor uns, fast neu,
                              									wie am ersten Tage. Welch herrliches Material müssen die Römer zu ihrer Herstellung
                              									verwendet haben!
                           Wir brauchen kein verlorengegangenes römisches Geheimrezept dieses Materials zu
                              									suchen. Dasselbe ehrwürdige Material ist ohne Unterbrechung seines Gebrauches durch
                              									die Jahrhunderte bis auf uns gekommen. Das Steinzeug, dessen Tonkomponente der Ton
                              									selbst ist, besitzt die fast unbegrenzte Plastizität dieses Materials, während das
                              									Porzellan, in dem der Ton durch Kaolin vertreten ist, nur bis zu einer gewissen
                              									Größe in ungebranntem Zustande die Form bewahrt. Man wird also aus Porzellan nur
                              									verhältnismäßig kleine Gegenstände herstellen können, während das Steinzeug ohne
                              									weiteres Werkstücke von 3 und 4 m, ja auch bis zu 8 m zu formen erlaubt. Dies ist
                              									bei der Erzeugung von Rohren wichtig, noch wichtiger aber bei der Erzeugung von
                              									Isolatoren für hochgespannte elektrische Ströme. Bei einer Spannung von 500000 oder
                              									gar einer Million Volt muß der Isolator schon ganz gewaltige Abmessungen haben, um
                              									ein Ueberspringen des Stromes zu verhüten. Für derartige meterhohe Gebilde kommt
                              									Porzellan, wenn man es nicht aus Einzelteilen zusammenkitten will, nicht in
                              									Betracht. Hier ist das Steinzeug das gegebene Material. Aber ebensogut ist es
                              									möglich, ganze Maschinen aus Steinzeug herzustellen, besonders auch deshalb, weil
                              									die Volumabnahme beim Brennen geringer ist als beim Porzellan und die nachherige
                              									Bearbeitung Präzisionen bis auf Bruchteile von Millimetern gestattet, was beim
                              									Porzellan kaum möglich ist.
                           Ein anderer Vorteil des Steinzeugs ist seine Glasur, die vielleicht die beständigste
                              									aller keramischen Stoffe ist, frei von Rissen und äußerst einfach in der
                              									Herstellung. In dem Brennofen wird gewöhnliches Kochsalz zum Verdampfen gebracht und
                              									verbindet sich in einer gleichmäßigen Weise mit den obersten Schichten des
                              									Steinzeugs zu einer zwar dünnen, aber mit allen guten Eigenschaften ausgestatteten
                              									Glasur.
                           Es gibt gewisse ewige Werkstoffe der Menschheit, die alle Wandlungen und allen
                              									Aufschwung der Menschentechnik getreulich mitmachen und sich immer wieder bewähren!
                              									Zu diesen Werkstoffen, denen die Menschheit ununterbrochen Dank schuldet, gehört
                              									ohne Zweifel das Steinzeug.