| Titel: | Schutz der Wegeübergänge. | 
| Autor: | C. Guillery | 
| Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 216 | 
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                        Schutz der Wegeübergänge.
                        Von C. Guillery, Baurat
                           								a. D.
                        GUILLERY, Schutz der Wegeübergänge.
                        
                     
                        
                           Die Unfälle an bewachten und unbewachten Wegeübergängen der Haupt- und
                              									Nebeneisenbahnen haben sich in letzter Zeit auch bei uns, mit der gesteigerten
                              									Lebhaftigkeit des Verkehrs der Landstraßen stetig an Zahl und Schwere wachsend,
                              									derart gehäuft, daß wohl jeder die Empfindung der Notwendigkeit baldiger und
                              									durchgreifender Abhilfe hat. Letztere ist auf diesem Gebiete verhältnismäßig leicht
                              									zu schaffen. Bei sonstigen schweren Eisenbahnunfällen ist durchweg höhere Gewalt
                              									oder das Versagen menschlicher Tätigkeit mit im Spiele, zwei Gefahrquellen, die sich
                              									im Eisenbahnbetriebe nie ganz werden ausschalten lassen. Grundsätzliche Mängel der
                              									Einrichtungen tragen bei Entgleisungen und Zusammenstößen selten mehr die
                              									Hauptschuld am Entstehen des Unfalles. Die großen Gefahren der Wegeübergänge wären
                              									dagegen durch sachgemäße Einrichtungen, vom technischen Standpunkte aus
                              									verhältnismäßig leicht, mit den heute verfügbaren Mitteln auf ein Mindestmaß
                              									herabzudrücken.
                           Von den unbewachten Wegeübergängen von Neben- und Kleinbahnen werden jetzt wohl
                              									die üblichen festen Warnzeichen für Kraftfahrzeuge aufgestellt und außerdem sollen
                              									Glockenzeichen der Lokomotiven die Fahrzeuge warnen. Die fest aufgestellten
                              									sichtbaren Zeichen geben aber keinen. Aufschluß über einen etwa herannahenden Zug
                              									und die Glockenzeichen der herankommenden Lokomotiven verhallen leicht auf der
                              									Strecke und werden von dem Lärm der Fuhrwerke übertönt; auch unterbleiben diese
                              									Zeichen oft gänzlich. Die Wegeschranken der Hauptbahnen werden bei Staub, Nebel und
                              									Schneegestöber, ebenso wie die festen Warnzeichen der Nebenbahnen, übersehen; die
                              									Schranken werden von Kraftfahrzeugen angerannt und durchbrochen. Deshalb sind
                              									sichtbare und hörbare, recht deutliche Zeichen erforderlich, die von dem nahenden
                              									Zuge aus selbsttätig in Wirksamkeit gesetzt werden und sich dem mit großer
                              									Geschwindigkeit, mit Lärm und Staubentwickelung ankommenden Kraftfahrer in
                              									genügender Entfernung 
                              									vor dem Uebergang bemerkbar machen. Es sei aber vorweg bemerkt, daß die
                              									Eisenbahnverwaltungen keineswegs in erster Linie für die Kosten der erforderlichen
                              									Neueinrichtungen zuständig sind.
                           Was zunächst die Anzahl der Unglücksfälle an Wegeübergängen der Eisenbahnen betrifft,
                              									so ist diese heute kaum geringer als die Zahl der durch Entgleisungen und
                              									Zugzusammenstöße verursachten Todesfälle und schweren Verletzungen. Nach der im
                              									Reichsverkehrsministerium bearbeiteten Statistik (E. S. Mittler & Sohn, Berlin
                              									1920/21) sind im Jahre 1919 allein bei der preußisch-hessischen Staatsbahn 138 und
                              									im Jahre 1918 143 Fuhrwerke überfahren worden, ohne die nicht mitgezählten
                              									Handkarren, Hundefuhrwerke u. dgl. Die Anzahl der dabei getöteten und verletzten
                              									Personen ist in der Statistik nicht angegeben. Nehmen wir an, daß durchschnittlich
                              									nur eine Person beim Ueberfahren eines größeren Fuhrwerks getötet wird, so wäre die
                              									Zahl der Toten für 1919 schon erheblich größer als die Zahl der bei Entgleisungen
                              									und Zugzusammenstößen tötlich Verunglückten: 138 gegen 15 + 52 = 67; für 1918
                              									betragen die Zahlen 143 gegen 48 + 136 = 184. Außerdem wird in der amtlichen
                              									Statistik der Betriebsunfälle die Zahl der überfahrenen Fußgänger und Reiter nicht
                              									besonders aufgeführt, sie ist vielmehr nur In der Gesamtzahl der Betriebsunfälle mit
                              									enthalten.
                           Es ist nicht angängig, die mir in den letzten Monaten mehr zufällig zu Gesicht
                              									gekommenen Zeitungsmeldungen über 35 Unfälle an Wegeübergängen, mit insgesamt 19
                              									Toten und 46 Schwerverletzten, hier näher zu erörtern. Erwähnt sei nur der schwere
                              									Unfall vom August bei Walkenried im Südharz, der für sich allein schon überzeugend
                              									genug wäre, weil er sich täglich wiederholen kann. Ein mit Angehörigen von
                              									Schulkindern besetzter Kraftwagen vollständig zertrümmert, Lokomotive abgestürzt,
                              									Gleis zerstört; neun Tote, 28 Schwerverletzte. Der vorausfahrende, mit 20
                              									Schulkindern besetzte Wagen wurde von der Lokomotive gestreift, das Nummerschild
                              									abgerissen; noch weit schwererer Unfall also mit knapper Not verhütet. Ursache
                              									starker Staub, schlecht übersichtlicher Uebergang. Bei einem Unfall in der Nähe von
                              									Sonthofen (1 Toter, 1 Schwerverletzter) wurden Lokomotiv- und Kraftwagenführer vom
                              									Gericht im Juni freigesprochen. Da von höherer Gewalt keine Rede sein konnte, liegt
                              									also nach Ansicht des Gerichtes die Schuld an den mangelnden Einrichtungen. Allein
                              									die Gefährdung von Menschenleben, die immer mit solchen Unfällen verbunden ist, wäre
                              									schon zu vermeiden. Darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit.
                           Daß es im Auslande (außer Großbritannien) hinsichtlich der Gefährlichkeit der
                              									Wegeübergänge nicht viel anders aussieht als bei uns, zeigen schon die schweren
                              									Unfälle von Cotmine bei Lorient (Morbihan, Bretagne), von Altenstadt, Vorarlberg,
                              									Strecke Feldkirch–Buchs und von Curia, nördlich Lissabon, aus Juli und August und
                              									die noch neueren Unfälle von Westerloo (Belgien), Tild (Slowakei), Elfsby
                              									(Nordschweden), Ung.-Hradisch, Ujvidek (Neusatz, Ungarn) u.a. Im europäischen
                              									Auslande herrscht aber nicht allenthalben der lebhafte, dichte Verkehr, wie durchweg
                              									auf unseren Landstraßen. Es wäre deshalb nicht mehr wie recht und billig, wenn
                              									Deutschland auch auf diesem Gebiete mit gutem Beispiele voranginge. Großbritannien
                              									kommt nicht in Betracht, weil dort von Anfang an alle Wege unterführt wurden.
                           Die vorliegenden Meldungen neuerer Unglücksfälle an Wegeübergängen von Haupt- und
                              									Nebenbahnen lassen deren Anlaß und Zustandekommen klar genug erkennen. Einesteils
                              									fehlen bei Nebenbahnen Sperren und wirksame Warnzeichen überhaupt, auch an jetzt
                              									sehr verkehrreichen Uebergängen, andrerseits bilden die starren Wegeschranken der
                              									Hauptbahnen heute eine Gefahr für den Straßenverkehr und doch kein unüberwindliches
                              									Hindernis für Kraftfahrzeuge aller Art, Kraftwagen, wie Motorräder, sie sind also
                              									nicht einmal mehr imstande, die Eisenbahnzüge gegen gefährliche Begegnungen mit
                              									Straßenfahrzeugen zu schützen.
                           Es fragt sich nun, welche Mittel anzuwenden sind, um eine zeitgemäße Besserung
                              									einzuleiten. Das allerwirksamste Mittel, die Gefahr durch Unterführung der Straßen
                              									unter den Eisenbahnen hindurch vollständig zu beseitigen, ist bei unserer trostlosen
                              									wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit nicht in größerem Umfange anwendbar. Wir
                              									können nur, mehr wie jemals vorher, bedauern, daß unsere berufenen Vertreter nicht
                              									so weitblickend waren, wie ihre Zeitgenossen jenseits des Kanals, um die Unter- oder
                              									Ueberführung aller die Eisenbahnstrecken kreuzenden Wege durch Parlamentsakte
                              									vorzuschreiben.
                           In der deutschen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung sind für die Wegeübergänge bei
                              									Hauptbahnen allgemein „Schranken“ vorgeschrieben; nur für Fußwege können
                              									Drehkreuze oder „ähnlich wirkende Abschlüsse“ zugelassen werden. Bei
                              									Nebenbahnen bestimmt die Aufsichtsbehörde, inwieweit die Wegeübergänge mit Schranken
                              									zu versehen sind. Ueber die Bauart der Wegeschranken besteht keine genauere
                              									gesetzliche Vorschrift. Es ist nur bestimmt, daß Zugschranken, d.h. Wegeschranken,
                              									die von einem mehr oder weniger entfernten Standort aus mittels Drahtzugs- bedient
                              									werden, so einzurichten sind, daß sie am Wegeübergange selbst von Hand geöffnet und
                              									wieder geschlossen werden können und daß sie mit einer Glocke zu versehen sind, die
                              									ebenfalls von dem Standorte des Wärters aus bedient werden kann. Meist sind auf
                              									deutschen Hauptbahnen und, wenn dort Wegeschranken ausnahmsweise überhaupt vorhanden
                              									sind, auch auf Nebenbahnen, die Wegeschranken als Schlagbäume ausgeführt. Dem Geiste
                              									der Vorschriften würde es gewiß nicht widersprechen, wenn diese jetzt bei uns
                              									üblichen, von den Zeiten des Zolleinnehmers auf der Landstraße übriggebliebenen
                              									Schlagbäume durch etwas Besseres ersetzt würden. Schließlich ist doch auch bei
                              									diesen das dem Schlusse der Schranken vorangehende kurze Glockenzeichen die
                              									Hauptsache. Wer dieses nicht beachtet, wird sich kaum abhalten lassen, die seiner
                              									Ansicht nach zu früh geschlossenen Schranken eigenmächtig zu öffnen, in der Annahme,
                              									daß der zu erwartende Zug noch, nicht in gefährlicher Nähe ist. Bei den
                              									fernbedienten Wegeschranken entsteht für ein Fuhrwerk häufig die Gefahr,
                              									eingeschlossen und auf dem Gleise festgehalten 
                              									zu werden. Für ein Pferdefuhrwerk mag diese Gefahr noch verhältnismäßig gering
                              									sein, Geistesgegenwart des Wagenführers bei unerwartet schnellem Herabgehen des
                              									fernbedienten Schlagbaums vorausgesetzt. Einem Kraftwagenführer wird aber nicht
                              									immer die erforderliche Zeit zur Verfügung bleiben, um abzuspringen, die Schranke zu
                              									öffnen, wieder aufzusteigen und den Wagen in Gang zu bringen. Die Zugschranken so
                              									weit von dem Gleis abzurücken, daß für ein eingeschlossenes Fuhrwerk beiderseits
                              									genügend Raum neben dem Gleise verbleibt, geht meist nicht an, weil die
                              									fernbedienten Schranken von dem Standorte des Wärters müssen übersehen werden
                              									können. In den Bestimmungen ist deshalb nur ein Abstand von 0,5 m, zwischen der
                              									Schranke und der Umgrenzung des lichten Raumes für das benachbarte Gleis,
                              									vorgesehen. Es sei noch erwähnt, daß der Schrankenwärterdienst ganz ungewöhnlich
                              									eintönig, bei starkem Verkehr oft recht beschwerlich und immer sehr verantwortlich
                              									ist. Unregelmäßigkeiten in der Bedienung kommen leicht vor und haben schon häufig
                              									gerichtliche Bestrafung zur Folge gehabt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 343, S. 218
                              Abbildung 1. Hauptwarngerät mit rot leuchtendem Pendelwerk und
                                 										Allgemeinbeleuchtung (Tagesaufnahme).
                              
                           In Frankreich hat man schon vor dem Kriege stellenweise, aber ohne durchgreifenden
                              									Erfolg, versucht, die Wegeschranken, dort Rollschranken, das sind seitlich, parallel
                              									zum Gleis, verschiebbare, auf Bodenschienen rollende Gitter, durch Vermittelung
                              									einer dicht neben dem Gleis in Schienenhöhe liegenden, von dem fahrenden
                              									Eisenbahnzuge aus niedergedrückten Pedal-(Druck-)schiene elektrisch schließen zu
                              									lassen. Die Oeffnung erfolgte mittels einer zweiten, jenseits des Wegeüberganges in
                              									gleicher Art eingebauten Druckschiene. Zu solcher selbsttätiger Bedienung von
                              									Wegeschranken ist die Auslösung erheblicher Kräfte erforderlich, auch stellen sich
                              									der Bewegung von Rollschranken leicht Hindernisse in den Weg, die Einrichtung wird
                              									sehr verwickelt und kann selbst gefährlich werden für die den Wegeübergang
                              									Benutzenden. Schlagbäume selbsttätig durch Maschinenkraft auf Entfernung schließen
                              									zu lassen, wäre noch gefährlicher und keineswegs einfacher. Stets wären dabei
                              									außerdem deutliche, den Führern schnell und mit erheblichem Geräusch, auch unter
                              									Staubentwicklung, herankommender Kraftwagen aus genügender Entfernung, vom Wege aus,
                              									sichtbare und hörbare Warnzeichen erforderlich. Es fragt sich, ob die, dem heutigen
                              									Verkehr, wie der Erfolg zeigt, sehr gefährlichen Schranken, alsdann nicht vielleicht
                              									besser ganz in Fortfall kämen. Bedingung hierfür sind ganz zuverlässige, gut
                              									ausgeprobte elektrische Schaltungen.
                           Allen Anforderungen entsprechende, seit Jahresfrist im eigenen Betriebe gut
                              									durchgeprüfte, unter Patentschutz stehende selbsttätige Warnanlagen benötigter Art
                              									sind seitens der Allgemeinen Elektroindustrie, Heinrich Winkler in Dortmund
                              									(Westfalen) ausgearbeitet und harren der Durchführung eingehender Erprobung im
                              									Eisenbahnbetriebe, die schon eingeleitet ist. Zunächst wären solche
                              									Probeausführungen wohl an verkehrsreichen, bisher ungeschützten Wegeübergängen von
                              									Nebenbahnen anzuordnen. Als sichtbare Zeichen sind durchscheinende, von der
                              									Rückseite her beleuchtete Glastafeln mit warnender Aufschrift, langsam pendelnde
                              									kleine Tafeln mit den international vereinbarten Warnzeichen und farbige
                              									Lichtsignale mit Erfolg versucht worden. Starklichtsignale, wie sie im Betriebe der
                              									Berliner Stadt- und Ringbahn, wie auch der Norwegischen Staatsbahn, als Bahnhof- und
                              									Streckensignale bei Tag und Nacht bewährt sind, wären auch für selbstättige
                              									Warnanlagen an Wegeübergängen mit Nutzen zu verwenden. Solche Starklichtsignale, mit
                              									passenden Sammel- und Streulinsen versehen, sind erfahrungsmäßig auch bei hellstem
                              									Sonnenschein auf genügende Entfernung sichtbar, wenn sie auf dunklem Hintergrunde
                              									eingebaut und mit Sonnen- und Schneeblenden umkleidet sind. Ihr Hauptvorzug ist das
                              									stets gleiche Signalbild für Tag und Nacht. Auch Blinklicht ist in Aussicht
                              									genommen. Es wird Sache längerer Erprobung im Betriebe sein, hier das Beste vom
                              									Guten ausfindig zu machen. Mit den sichtbaren Signalzeichen werden gleichzeitig
                              									betätigte, der Oertlichkeit angepaßte hörbare Zeichen verbunden, die durch Hupen,
                              									Glocken, Sirenen oder Wecker erzeugt werden. Für den ziemlich unwahrscheinlichen
                              									Fall eines Versagens der im Grunde verhältnismäßig einfachen und deshalb sehr
                              									betriebssicheren Anlagen sind, in der Richtung der Bahnstrecke, dem herankommenden
                              									Zuge entgegen, leuchtende Kontrollampen vorgesehen, deren Verlöschen dem
                              									Lokomotivführer anzeigen würde, daß die Warnanlage gestört ist. In diesem
                              									Ausnahmefalle müßte der Führer vor dem Uebergange halten und dürfte erst
                              									weiterfahren, nachdem der Weg gesichert ist. Das hauptsächlich Neue in den
                              									Einrichtungen sind die später ausführlich zu erörternden Schaltungen.
                           In Abb. 1 ist zunächst ein am Ende eines Auslegers
                              									oberhalb des Weges angehängter Signalkasten mit durchscheinenden, in der Richtung
                              									des Weges leuchtenden und mit entsprechender Aufschrift 
                              									zu versehenden Glasscheiben zu erkennen; darüber ist außerdem ein rotes
                              									Signallicht angeordnet. Auch Einrichtungen für pendelnde Signale an gleicher Stelle
                              									sind ausgearbeitet. Auf dem vorderen Ende eines die Fahrdrahtleitung der elektrisch
                              									betriebenen Bahn tragenden Auslegers sitzt die Kontrollampe. Alle Lampen sind mit
                              									großen Schnee- und Sonnenblenden versehen.
                           Die Stromzuleitung zu den Signallichtern und den
                              									Schaltvorrichtungen ist verschiedenartig auszuführen, je nachdem die betreffende
                              									Bahnstrecke mit elektrischem Gleichstrom, mit elektrischem Wechselstrom, oder mit
                              									Dampf betrieben wird. Im letzteren Falle wird der zum Betriebe der
                              									Sicherungseinrichtungen erforderliche Strom, wie jetzt fast allerorts tunlich ist,
                              									aus einer mit hochgespanntem Wechselstrom gespeisten Ueberlandleitung entnommen. Für
                              									alle diese Fälle sind neue Schaltanordnungen erfunden, die aber aus
                              									patentrechtlichen Gründen hier nur möglichst genau beschrieben werden können.
                           Am einfachsten gestalten sich die Schaltungen und die
                              									sämtlichen Einrichtungen der selbsttätigen Warnanlagen für elektrische
                              									Gleichstrombahnen, weil bei diesen der Betriebsstrom der Bahn ohne weiteres auch für
                              									die Warnanlagen benutzt werden kann. Bei Bahnen mit hochgespanntem Wechselstrom ist Herabspannung des Stromes und dessen
                              									Umformung durch eine (Quecksilberdampf-) Gleichrichteranlage, bei Dampfbahnen außerdem besondere Stromzuleitung von
                              									auswärts erforderlich. In jedem Falle werden die selbsttätigen Warnvorrichtungen
                              									mittels zweier Differenzial-Hilfsrelais, für jede Fahrrichtung ein besonderes, in
                              									und außer Betrieb gesetzt. Diese Relais sind, wie alle Relais, in der Telegraphie
                              									und sonst überall, nur Vermittler; sie liefern selbst keinen Strom, schalten
                              									vielmehr nur den Strom irgend einer Hilfsquelle ein, indem sie den Anschluß an eine
                              									mit elektrischem Strom gespeiste Leitung vermitteln. Die Differenzial-Relais, zu
                              									deren Ein- und Ausschaltung nur verhältnismäßig schwache Stromzuleitung erforderlich
                              									ist, sind einerseits an die Stromquelle, bei Gleichstrombahnen unmittelbar an die
                              									Fahrdrahtleitung, angeschlossen. Diese Verbindung kann durch einen
                              									Hochleistungskontakt besonderer Bauart unterbrochen und wieder hergestellt werden.
                              									Andrerseits sind je zwei Spulen jedes Relais, eine jede für sich, mit einem von zwei
                              									Lamellen-Schleifkontakten (Abb. 2) aus gut leitendem
                              									Metall verbunden, deren einer vor, der andere hinter dem zu schützenden
                              									Wegeübergange stromdicht an die Fahrdrahtleitung des Bahngleises angeklemmt ist. Für
                              									den kurzen Augenblick der Durchfahrt unter dem ersten, vor dem zu schützenden
                              									Wegeübergang angebrachten Schleifkontakt wird, mittels des Bügel- oder
                              									Rollenstromabnehmers der elektrischen Lokomotive oder des Triebwagens eines
                              									herannahenden Zuges, leitende Verbindung zwischen dem Fahrdraht und den Lamellen des
                              									Schleifkontaktes und dadurch auch mit der Einschaltspule des betreffenden
                              									Relais hergestellt. Der Unterbrechungskontakt der Verbindungsleitung zwischen
                              									Stromquelle (Fahrdraht) und Warnvorrichtung wird infolgedessen elektromagnetisch
                              									geschlossen. Die Warnanlage bleibt alsdann im Betriebe, bis die Stromzuleitung durch
                              									Erregung der zweiten Spule des Relais, von dem jenseits des Ueberweges an die
                              									Fahrdrahtleitung angeklemmten Schleifkontakt aus wieder unterbrochen wird. Bei
                              									eingleisigen Bahnen werden ebenfalls zwei getrennte Differenzial-Relais, für jede
                              									Fahrrichtung eines, verwendet, die durch eine besondere Schaltung so miteinander
                              									verbunden sind, daß eines den Betrieb des andern nicht stört. Der Abstand des ersten
                              									Schleifkontaktes, vor dem zu schützenden Wegeübergange, ist jeweils durch die
                              									Fahrgeschwindigkeit des schnellsten, auf der betreffenden Strecke verkehrenden Zuges
                              									bedingt, damit die Warngeräte hinreichend früh, etwa eine Minute vor Ankunft des
                              									Zuges, in Tätigkeit treten. Der Abstand des zweiten Schleifkontaktes, für
                              									Außerbetriebsetzung der Warnanlage, jenseits des Wegeüberganges, richtet sich nach
                              									der größten Länge der Züge, damit der Ueberweg erst wieder freigegeben wird, indem
                              									die Warngeräte außer Tätigkeit treten, wenn der letzte Wagen des längsten Zuges
                              									hinüber ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 343, S. 219
                              Abb. 2. Hauptwarngerät mit Pendelwerk und Allgemeinbeleuchtung-
                                 										(Nachtaufnahme).
                              
                           Bei Dampfbahnen muß der Strom für Ein- und Ausrückung und für den ganzen Betrieb der
                              									Warngeräte aus einer mit hoch gespanntem Wechselstrom gespeisten Ueberlandleitung
                              									entnommen werden, wenn nicht zufällig Gelegenheit zur Benutzung von Gleichstrom aus
                              									irgend einem entsprechenden, in der Nähe vorhandenen Licht- oder Kraftbetrieb
                              									geboten ist. In der Regel wird dann eine mehr oder weniger lange Stromzuleitung von
                              									der Ueberlandleitung zu der Warnanlage erforderlich. Länger anhaltende Störungen in
                              									einer Ueberlandleitung für hochgespannten Wechselstrom sind zwar kaum mehr zu
                              									befürchten, indem diese Leitungen meist doppelt ausgeführt und in jeder erdenklichen
                              									Art gegen Störungen geschützt werden. Trotzdem ist der Sicherheit halber für
                              									Dampfbahnen eine Speicherbatterie vorgesehen, die im Notfalle mehrere Tage lang den
                              									für die Warngeräte 
                              									erforderlichen Strom liefern kann. In absehbarer Zeit wird bei den Eisenbahnen
                              									der elektrische Betrieb Alleinherrscher sein, nachdem der erforderliche Strom mehr
                              									und mehr durch Erschließung neuer Wasserkräfte zur Verfügung gestellt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 343, S. 220
                              Abb. 3. Vorsignal (Tagesaufnahme).
                              
                           Bei Bahnen, die mit stets hochgespanntem Wechselstrom betrieben werden, kann der
                              									Strom zum Betriebe der Warnanlagen mittels der Stromabnehmer der elektrischen
                              									Triebwagen oder Lokomotiven aus dem Fahrdraht oder aus der den Fahrdraht speisenden
                              									Zuleitung entnommen werden. Die Speicherbatterie ist bei solchen Bahnen entbehrlich,
                              									vorausgesetzt, daß ein Befahren der Bahn mit Dampflokomotiven ganz ausgeschlossen
                              									ist. Auch entfallen bei Wechselstrombahnen stets die längeren Leitungen, die bei
                              									Dampfbahnen für die Zuleitung des Betriebsstromes der Warnanlagen erforderlich
                              									werden können, immer vorausgesetzt, daß die Wechselstrombahnen nie von
                              									Dampflokomotiven befahren werden, die in der Regel weder Speicherbatterien noch
                              									Stromzuleitung von auswärts entbehren können. Für die Warnanlagen einer
                              									Wechselstrombahn kommt Betriebsstörung durch Störung der Leitungen nicht in
                              									Betracht, weil in solchem Falle der ganze Bahnbetrieb für die Dauer der Störung
                              									stilliegen würde.
                           In jedem Falle, bei Dampfbahnen, wie bei Wechselstrombahnen, wird der hochgespannte
                              									Betriebsstrom der Warnanlagen mittels eines Quecksilberdampf-Gleichrichters auf
                              									Gleichstrom von 110 Volt Spannung umgeformt. Die Differenzial-Hilfsrelais werden bei
                              									Dampfbahnen und bei Wechselstrombahnen mittells eines Schienenkontaktes, an Stelle
                              									des an den Fahrdraht von Gleichstrombahnen angeklemmten
                              									Lamellen-Schleifkontaktes, betätigt. Im übrigen sind die Einrichtungen ganz ähnlich
                              									wie bei Gleichstrombahnen. Der aus Spezialstahl gefertigte Stößel des
                              									Schienenkontaktes (Abb. 3) wird durch ein Vorderrad
                              									der Zuglokomotive niedergedrückt, infolge dadurch bewirkten Stromschlusses
                              									elektromagnetisch in seine tiefste Lage gezogen und in dieser Stellung festgehalten,
                              									bis wieder Auslösung von dem zweiten, jenseits des Ueberweges eingebauten Kontakt
                              									aus erfolgt. Das obere Ende des Stößels kommt also nur mit dem Spurkranze der ersten
                              									Achse des Zuges in Berührung; alle folgenden Spurkränze rollen in einigem Abstande
                              									darüber hinweg. Auch diese Einrichtung steht unter Patentschutz. Ein durch den
                              									Stößel des Schienenkontaktes gesteuertes drehbares Kontaktelement vermittelt hier
                              									die Einschaltung des Relais. Die elektrische Speicherbatterie kann entweder in
                              									längeren Betriebspausen bei Nacht, oder selbsttätig während des Betriebes aufgeladen
                              									werden.
                           Nach einem möglichst genauen Kostenvergleiche, der auf einen bestimmten, nicht einmal
                              									für eine selbsttätige Warnanlage besonders günstig liegenden Fall zugeschnitten ist,
                              									betragen die gesamten Baukosten der selbsttätigen Warnanlage für eine mit Dampf
                              									betriebene Nebenbahn 10300 Reichsmark, wenn alle elektrischen Leitungen der
                              									Sicherheit halber als bewehrte Kabel ausgeführt werden, gegen etwa 3000 RM. für eine
                              									Schrankenanlage der Regelbauart. Dabei ist aber zu bemerken, daß die
                              									Schrankenanlagen gegenüber der jetzt üblichen Bauart erheblich verstärkt werden
                              									müßten, um ihre Aufgabe vollkommen zu erfüllen, also schwere und schnell fahrende
                              									Kraftwagen mit Sicherheit aufhalten und die Eisenbahnzüge schützen zu können. Bei
                              									Annahme einer Lebensdauer von 15 Jahren in beiden Fällen und dementsprechend rund 7
                              									vH. Tilgung, und für einen Zinsfuß von 8 vH. berechnen sich die gesamten jährlichen
                              									Ausgaben für die Warnanlage auf 1850 RM. einschließlich aller Betriebskosten, gegen
                              									rund 8000 RM. für eine bediente Wegeschranke der Regelbauart; Tag- und Nachtdienst
                              									der betreffenden Bahnstrecke, also dreifache Besetzung des Wärterpostens
                              									vorausgesetzt. Es ist nun auch noch zu berücksichtigen, daß für den heutigen Verkehr
                              									Wegeschranken allein nicht mehr genügen, weil sie bei unübersichtlicher
                              									Oertlichkeit, bei Staub, Nebel oder Schneegestöber gar nicht oder zu spät von den
                              									Führern der Kraftfahrzeuge wahrgenommen werden. Hörbare Warnzeichen fehlen bei
                              									Hauptbahnen gänzlich, abgesehen von den kurzen Glockenzeichen vor Schluß der
                              									Schranken; die Glockenzeichen der Lokomotiven der Nebenbahnen sind für Kraftfahrer
                              									meist bei weitem nicht deutlich genug. Warnzeichen, die an geeigneter Stelle der
                              									Uebergänge, für den schnell und mit Geräusch und Staubentwicklung Herankommenden
                              									frühzeitig genug wahrnehmbar, aufgestellt werden, können dagegen ihren Zweck immer
                              									erfüllen, wenn sie selbsttätig, durch Vermittlung des den Wegeübergang kreuzenden
                              									Zuges, in und außer Betrieb gesetzt werden. Jeder, der durch solche Warnzeichen
                              									nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht ist, daß ein Eisenbahnzug 
                              									innerhalb spätestens einer Minute mit Sicherheit ankommt, und daß dann der Weg
                              									alsbald wieder frei wird, wartet gern die kurze Zeit, während eine, vermeintlich
                              									oder wirklich, zu früh geschlossene Schranke zur Ungeduld und eigenmächtigem
                              									Eingreifen reizt.
                           Die Eisenbahnverwaltungen können nun keineswegs für die heutigen Verkehrszustände an
                              									den Kreuzungen von Landstraße und Eisenbahn verantwortlich gemacht werden. Als die
                              									Eisenbahnen, Haupt- und Nebenbahnen, gebaut wurden, war alles in schönster Ordnung.
                              									Kraftfahrzeuge waren nicht vorhanden und für den damaligen schwachen Verkehr mit
                              									sonstigem Fuhrwerk genügten die Einrichtungen vollständig. Die spätere Entwicklung
                              									war nicht vorauszusehen. Unter heutigen Verkehrsverhältnissen hätte man sich
                              									leicht, wie in dem damals schon sehr gewerbereichen Großbritannien, bei dem Bau der
                              									Bahnen auf Unterführung, wenigstens der wichtigeren Straßen geeinigt. Man hat damals
                              									nicht voraussehen können, daß die Landstraßen einmal, wie heute täglich zu
                              									beobachten ist, als Rennbahn zu Wettfahrten zwischen Auto und Motorrad dienen
                              									würden. Die Sicherung der Wege ist in erster Linie eine Angelegenheit des
                              									Straßenverkehrs. Deshalb sind die Eigentümer und Unterhaltungspflichtigen der
                              									Straßen, sowie die den Verkehr Betreibenden hier in erster Reihe zuständig. Bei der
                              									heutigen Entwickelung wird es geradezu nötig, die Eisenbahnen gegen den
                              									Straßenverkehr zu sichern.