| Titel: | Das Leistungsfaktor (cos φ)-Problem vom Standpunkte des Stromkonsumenten. | 
| Autor: | F. A. Foerster | 
| Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 1 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Das Leistungsfaktor (cos φ)-Problem vom
                           								Standpunkte des Stromkonsumenten.
                        Von Oberingenieur F. A. Foerster,
                           									Berlin.
                        FOERSTER, Das Leitungsfaktor-Problem vom Stadtpunkte des
                           								Stromkonsumenten.
                        
                     
                        
                           In den Elektromotorbetrieben unserer Wechselstrom- und Drehstromanlagen ist der
                              										Leistungsfaktor (cos φ) hinlänglich als ein sowohl
                              									die Gesamtanlage in ihrer Leistungsfähigkeit, wie den Wirkungsgrad der
                              									Betriebsmotoren und des Leitungsnetzes nachteilig beeinflussender Schädling bekannt,
                              									der unter ungünstigen Betriebsverhältnissen in dieser Hinsicht sich geradezu
                              									katastrophal auswirken kann. Die Besitzer elektrischer Motorenbetriebe, die aus
                              									einem Elektrizitätswerk oder einer Ueberlandzentrale den Betriebsstrom für ihre
                              									Anlagen beziehen, haben die üblen Eigenschaften dieses Schädlings in ihren
                              									peinlichen Auswirkungen oft genug in recht empfindlicher Weise kennen gelernt. Es
                              									erscheint deshalb angezeigt, ihn einmal vom Standpunkte des Stromkonsumenten
                              									kritisch etwas genauer zu betrachten.
                           Um ihn in weitesten Interessentenkreisen nach Gebühr würdigen zu können, sei
                              									einleitend auf seine Entstehung und auf die Art, wie er seinen schädlichen Einfluß
                              									geltend macht, näher eingegangen.
                           Solange man in elektrotechnischen Fachkreisen in der theoretischen und praktischen
                              									Elektrotechnik, etwa bis ums Jahr 1890 herum, nur mit dem Gleichstrom befaßt war,
                              									kannte man die durch die Phasenverschiebung hervorgerufenen wattlosen Ströme, die
                              									sogenannten Blindströme der Wechselstromtechnik nicht. In
                              									den Gleichstrom-Anlagen war die elektrische Leistung (in Watt) N immer gleich dem
                              									Produkte aus der Spannung E und der Stromstärke J. Es war also immer: N = E × J und
                              									demgemäß die elektrische Arbeit A = E × J × T, wobei T die Zeit, während welcher
                              									eine bestimmte Leistung ausgeübt wird, bedeutet. Ganz analog der mechanischen
                              									Arbeit, die das Produkt aus Kraft mal Weg, ausgedrückt in kgm (Kilogrammetern) und
                              									der mechanischen Leistung, die den Wert Kraft mal Weg in der Zeiteinheit, der
                              									Sekunde, ausgedrückt in kgm/sec. darstellt, wobei das in der Praxis übliche
                              									technische Maß, die Pferdestärke, 1 PS = 75 kgm/sec. = 736 Watt ist wenigstens
                              									theoretisch. In praxi wird dieser Wert durch Umwandlungsverluste in der Maschine
                              									etwas verändert. Diese Beziehungen waren aber so klar und einfach und standen wie
                              									ein unverrückbares Dogma fest. Auch das durch eine so einfache mathematische
                              									Beziehung ausgedrückte Ohms ehe Gesetz, das Fundamentalgesetz der Elektrotechnik E =
                              									J × W, in welchem E die Spannung, J die Stromstärke und W den Widerstand bedeutet,
                              									genau so wie die Erweiterungen desselben, das Joulesche
                              									Gesetz und die Kirchhoffschen Regeln, sie alle bauten
                              									sich hierauf in gleicher Weise und überwältigender Einfachheit und Folgerichtigkeit
                              									mit absoluter, unfehlbarer Sicherheit und Zuverlässigkeit auf.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 1
                              Abb. 1.
                              
                           In der Wechselstromtechnik, die nach der Einführung des Drehstromes (dreiphasigen
                              									Wechselstrom) durch Haselwander in Offenburg im Jahre
                              									1891 den stärksten Anstoß zu ihrer Entwicklung erhielt, war das mit einem Schlage
                              									anders. In der Wechselstromtechnik ist nicht immer, oder sagen wir richtiger: nur
                              									selten die elektrische Leistung gleich dem Produkt aus Spannung und Stromstärke, wie
                              									wir diese Größen bisher so sicher und einwandfrei mit dem Wattmeter, dem Voltmeter und dem
                              									Amperemeter zu messen gewöhnt waren. Wir lernten hier unterscheiden zwischen
                              									wirklichen und scheinbaren Wattleistungen (Wirk- und Scheinleistungen). Wir lernten
                              									die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom, hervorgerufen durch induktive
                              									oder kapazitive Belastung des Netzes, den Phasenverschiebungswinkel (∡ φ) und den
                              									durch diesen bestimmten „cos φ“ als Leistungsfaktor kennen. In dem
                              									umstehenden Schema (Abb. 1) bedeuten:
                           G = Generator für Gleichstrom oder Wechselstrom,
                           W = Wattmeter (Leistungsmesser),
                           V = Voltmeter (Spannungsmesser),
                           A = Amperemeter (Strommesser),
                           L = Glühlampen (oder Heiz- bzw. Kochapparate),
                           B = Bogenlampen,
                           M = Elektromotor,
                           VD = Vorschalt-Widerstand od. Vorschalt-Drossel
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 2
                              Abb. 2.
                              
                           In den Gleichstrom-Anlagen deckte sich N, die Angabe des Wattmeters „W“ (Abb. 1) bei beliebiger Belastung des Leitungsnetzes
                              									durch Motoren, Bogenlampen, Glühlampen, Heiz- und Kochapparaten usw. mit dem
                              									Produkte aus der Spannung E, der Angabe des Voltmeters „V“ und der
                              									Stromstärke J, der Angabe des Amperemeters „A“. Es war immer:
                           N = E ∙ J, d. i. Leistung = Spannung × Stromstärke.
                           In den Wechselstrom-Anlagen decken sich diese von den Instrumenten abgelesenen Werte
                              									nach vorstehender Formel nur bei reiner Glühlampen-Belastung des Leitungsnetzes und
                              									bei Belastung mit induktionsfreien Heiz- und Kochapparaten u. dergl. Sobald
                              									Stromverbrauchsapparate mit gewickelten Spulen über Eisenkernen, die eine
                              									Magnetisierungsarbeit erfordern, an das Leitungsnetz angeschlossen werden, wie
                              									Elektromotoren, Bogenlampen, Drosselspulen, Transformatoren u. dergl., dann deckt
                              									sich die Angabe des Wattmeters „W“ (Abb. 1)
                              									nicht mehr mit dem Produkte aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen. Dasselbe zeigt
                              									sich bei der Belastung des Leitungsnetzes mit Kapazitäten, wie Kondensatoren etc.
                              									Das Produkt aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen ist jetzt größer als der vom
                              									Wattmeter abgelesene Wert. Das Wattmeter zeigt hier jetzt die Wirkleistung an,
                              									während das Produkt aus den Volt- und Amperemeter-Ablesungen die Scheinleistung
                              									darstellt. Der Quotient aus beiden, d.h. das Verhaltnis der Wirkleistung zur
                              									Scheinleistung ergibt den Leistungsfaktor „cos φ“. Es ist also
                           
                              \frac{N}{E\ J}=cos\,,\varphi
                              
                           und N = E ∙ J ∙ cos φ.
                           Diese gegen den Gleichstrom abweichende Erscheinung hat beim Wechselstrom und
                              									Drehstrom seine Ursache in der Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom um
                              									einen bestimmten Umlaufs winke! (∡ φ).
                           In den Abbildungen 2–4
                              									sind diese Beziehungen graphisch dargestellt. In den Vektordiagrammen, rechts von
                              									den Kurven, bedeutet:
                           E = Spannung,
                           Jw = Wirkstrom,
                           Jb = Blindstrom,
                           js = Scheinstrom,
                           ∡ φ = Phasenverschiebungswinkel.
                           Hieraus ergibt sich beim Einphasen-Wechselstrom:
                           Die Wirkleistung: Nw = E ∙ J ∙ cos φ
                           Die Blindleistung: Nb = E ∙ J ∙ sin φ
                           Die Scheinleistung: Ns = E ∙ J.φ
                           Bei reiner Glühlicht-Belastung ist aber auch in Wechselstromnetzen N = E ∙ J, genau
                              									wie beim Gleichstrom, oder mit anderen Worten: In solchem Falle ist dann der
                              									Leistungsfaktor cos φ =1, was sich auch aus der Instrumenten-Ablesung ergibt. Wie
                              									durch Induktion, bei Belastung des Wechselstromnetzes durch Motoren,
                              									Transformatoren, Bogenlampen etc., eine induktive oder verzögerte Verschiebung der
                              									Stromphase gegen die Spannungsphase erzeugt wird (Abb.
                                 										3), so wird durch Kapazität, d. i. bei Belastung des Netzes mit
                              									Kondensatoren, langen Kabeln und sehr langen Hochspannungs-Freileitungen u. dergl.
                              									eine kapazitive oder voreilende Verschiebung der Stromphase gegen die Spannungsphase
                              									erzeugt (Abb. 4). Beim Drehstrom (dreiphasigen
                              									Wechselstrom) verhält es sich mit dem Leistungsfaktor genau so, wie beim
                              									Emphasen-Wechselstrom, nur daß hier durch die Verkettung der drei um 120°
                              									gegeneinander versetzten Spannungs- oder Stromphasen (Abb.
                                 										5) noch der Faktor √3 in die Formel eintritt. Beim Drehstrom ist
                              									somit:
                           Die Wirkleistung: Nw = √3 ∙ E ∙ J ∙ cos φ
                           Die Blindleistung: Nb =  √3 ∙ E ∙ J ∙ sin φ
                           Die Scheinleistung Ns = √3 ∙ E ∙ J.
                           Die Abbildung 5 veranschaulicht den Verlauf der drei
                              									Spannungs- oder Stromphasen des Drehstromes. Aus dem rechts daneben gezeichneten
                              									Vektordiagramm ist der Faktor √3 ohne weiteres nach der Dreieckslehre mathematisch
                              									abzuleiten.
                           Da nun aber in allen elektrischen Anlagen, so auch in den Wechsel- und
                              									Drehstrom-Anlagen nach der scheinbaren Leistung, insbesondere nach der mittels des
                              									Amperemeters de facto gemessenen Stromstärke, infolge der von dieser verursachten
                              									Wärmeentwicklung (Joulesche Wärme!) Maschinen und Leitungsnetz, ebenso wie die
                              									Schalt- und Regulierapparate, kurzum die ganze Stromerzeugungs- und
                              									Fortleitungsanlage dimensioniert werden muß, so ist leicht einzusehen, daß der cos φ
                              									unter ungünstigen Belastungs- und Betriebsverhältnissen sich zu einem
                              									katastrophalen Schädling auswirken kann. Bei einem normalen Drehstrommotor mittlerer
                              									Größe, von beispielsweise 50 PS effektiver Leistung, ist der cos φ bei voller
                              									Nennlast etwa 0,88, er sinkt mit der Entlastung auf ½ und ¼ der Nennlast auf 0,7 und
                              									0,5 und darunter. Bei langsam laufenden Motoren und bei den vielen in einem großen
                              									Leitungsnetz verstreut laufenden kleinen Motoren sind diese Verhältnisse noch
                              									wesentlich ungünstiger. Bei ungenügend belasteten Motoren – und wie viele hunderte,
                              									vielleicht tausende gibt es nicht in den Anschlußanlagen einer Ueberlandzentrale –
                              									und bei unzureichend belasteten Transformatoren tritt der cos φ besonders
                              									schwerwiegend in die Erscheinung. Es kann der Fall eintreten, daß die sehr teuere
                              									Stromerzeugungs-Anlage wegen der hohen Stromstärke, die sich aus Wirkstrom und
                              									Blindstrom nach der Formel:
                           
                              J=\sqrt{J\,w^2+{J_b}^2}
                              
                           zusammensetzt, nur zur Hälfte und weniger ausgenutzt werden
                              									kann. Ja, es kann unter Umständen sowohl der Betrieb des Kraftwerkes, wie auch die
                              									Uebertragungsfähigkeit des Leitungsnetzes mit allem Zubehör durch plötzliches
                              									rapides Ansteigen der Blindleistung in Frage gestellt wevden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 3
                              Abb. 3.
                              
                           Selbstverständlich hat man in den Elektrizitätswerken mit der fortschreitenden
                              									Entwicklung der Ueberlandzentralen und der Großkraftwerke die verhängnisvollen
                              									Wirkungen eines schlechten Leitungsfaktors sehr schnell und klar erkannt. Auch war
                              									man in den maßgebenden und von der Benachteiligung in erster Linie betroffenen
                              									Verwaltungsinstanzen der Kraftwerke unablässig auf Abhilfe bedacht. Solange der
                              									Blindstrom sich in Elektrizitätswerken und Ueberlandzentralen mäßigen Umfanges in
                              									bescheidenen Grenzen bewegte, konnten sich die Krafterzeugungswerke damit abfinden.
                              									Bei dem ungeahnten, gewaltigen Aufschwung aber, den die Entwicklung der
                              									Ueberlandzentralen im Laufe der letzten 20 Jahre erfahren hat, an welche sich die
                              									großen Güter und Landgemeinden mit ihren meist ungenügend belasteten Motoren, ebenso
                              									wie die Städte und die großen industriellen Werke anschlössen, waren die durch den
                              									Blindstrom verursachten Unzuträglichkeiten für die Elektrizitätswerke
                              									schlechterdings nicht mehr tragbar. Man rückte jetzt zunächst dem Konsumenten auf
                              									den Leib, um dort, an der Wurzel des Uebels, Abhilfe zu schaffen. Man hat in den
                              									Anschlußanlagen erstlich mal nach ungenügend belasteten, bzw. für ihre
                              									durchschnittliche Tagesbelastung viel zu groß gewählten Motoren Umschau gehalten, um
                              									dieselben gegen kleinere Einheiten auszutauschen. Ein weiteres Augenmerk hat
                              									man dann auf die Verwendung zuverlässiger, einwandfreier Motorenfabrikate gerichtet.
                              									Minderwertige Fabrikate unsolider oder unbekannter Fabrikationsfirmen wurden
                              									beanstandet und zurückgewiesen. Als dies alles nicht zum Ziele führte, verlangte man
                              									vom stromverbrauchenden Besitzer von Elektromotorbetrieben die Anschaffung von
                              									komplizierten und teueren Spezialmotoren, wie kompensierte Drehstrommotoren,
                              									Synchronmotoren mit Gleichstromerregung oder synchronisierte Drehstrommotoren u.
                              									dergl. m., die bald nachdem die Missetaten des cos φ ruchbar wurden, auf dem Markte
                              									erschienen. Oder man verlangte den Umtausch vorhandener normaler Drehstrommotoren
                              									gegen solche Spezialmotoren, die zwar ihrem Konstrukteur alle Ehre machten und teuer
                              									waren, aber dafür leider nicht mehr die Vorzüge des bis dahin als so überaus einfach
                              									und betriebssicher hochgepriesenen normalen Drehstrommotors gegenüber dem
                              									Gleichstrommotor hatten. In größeren industriellen Anschlußanlagen forderte man die
                              									Aufstellung von Blindstrommaschinen, die nur dem Zwecke dienen sollten, den
                              									Leistungsfaktor zu verbessern, indem sie den in der Anschlußanlage für alle
                              									Stromverbrauchsapparate (besondere Motoren) erforderlichen Magnetisierungsstrom
                              									alias Blindstrom lieferten. Ja, man machte die Genehmigung zur Aufstellung und zum
                              									Anschluß eines weiteren größeren Motors z.B. bei notwendigen Betriebserweiterungen
                              									eines industriellen Werkes davon abhängig, daß dieser neue größere Motor als
                              									Synchronmotor aufgestellt werde, der natürlich auch wesentlich teuerer und in seiner
                              									Konstruktion sowohl wie im Betriebe auch viel komplizierter als ein normaler
                              									Drehstrommotor ist. Man hat schließlich auch Blindstromzähler (Kilosinzähler) bei
                              									dem Konsumenten eingebaut, um diesem den in seiner Anschlußanlage verbrauchten
                              									Blindstrom besonders zu berechnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 3
                              Abb. 4.
                              
                           Es ist erklärlich, daß alle diese Maßnahmen der Elektrizitätswerks-Verwaltungen den
                              									Konsumenten als Besitzer von Elektromotorbetrieben nicht gerade übermäßig erfreuten.
                              									Proteste und unerquickliche Auseinandersetzungen waren oft die unausbleibliche
                              									Folge.
                           Welche eminente Bedeutung der cos 9 sowohl für die Elektrizitätswerke, wie für die
                              									elektrotechnischen Fabrikationsfirmen und nicht zuletzt für den Stromkonsumenten
                              									inzwischen gewonnen hatte, geht aus der von allen Interessenten mit großer
                              									Genugtuung begrüßten „cos φ -Tagung“ der Vereinigung der Elektrizitätswerke vom 11.. November
                              									1921 hervor, auf welcher Prof. Zipp-Cöthen das Hauptreferat hielt und dieses Thema
                              									mit erfreulicher Gründlichkeit und tiefer Sachkenntnis erschöpfend behandelte. Aber
                              									auch heute, fast fünf Jahre nach dieser bedeutungsvollen Tagung, ist der cos
                              									φ-Fragenkomplex. keineswegs restlos geklärt.
                           Der Stromkonsument, der auf dieser Tagung nicht zu Worte kam, wird sich
                              									begreiflicherweise auf den Standpunkt stellen, daß ihn eigentlich der cos φ doch gar
                              									nichts anginge, das sei doch wohl mehr eine interne Angelegenheit der
                              									Elektrizitätswerke, die ihm, dem Konsumenten, doch den elektrischen Strom in solcher
                              									Eigenschaft liefern müßten, daß ihm der ordnungsmäßige Betrieb seiner normalen
                              									Drehstrommotoren mit Kurzschluß- oder Schleifringläufer gewährleistet sei. Andere
                              									Motoren gab es doch in der elektrotechnischen Industrie bis zur cos φ -Bewegung
                              									nicht. Die neueren, teueren und komplizierten synchronisierten und kompensierten
                              									Drehstrommotoren sind ja erst Folge-Produkte dieser Bewegung. Wenn
                              									Blindstrommaschinen den Leistungsfaktor verbessern oder ihn ganz beseitigen können,
                              									so wäre es doch wohl Aufgabe der Elektrizitätswerke Blindstrommaschinen in der
                              									Zentrale und an anderen geeigneten Stellen des Netzes einzubauen. Letzten Endes
                              									würde ja aber doch der Konsument die Kosten in Gestalt eines höheren Stromtarifs zu
                              									tragen haben. Aber die bisherigen Maßnahmen der Elektrizitätswerke bei den Motoren
                              									betreibenden Konsumenten waren doch wenig geeignet, Sympathien zu erwecken.
                              									Schließlich ist auch der Gedanke an eine Rückkehr zum Gleichstrom im
                              									Ueberlandzentralen-Betriebe in Erwägung zu ziehen. Größere, in sich geschlossene
                              									Konsumkomplexe, wie Städte – besonders mit Straßenbahnbetrieb – und größere
                              									Landgemeinden, große Landgüter und industrielle Großbetriebe könnten wie früher, so
                              									doch auch heute mit Gleichstrom versorgt werden. Der Gleichstrommotor ist in bezug
                              									auf seine von anderen Motoren auch heute noch unerreichte exakte Regulierfähigkeit
                              									doch immer noch der solideste und beste Motor, besonders im Verhältnis zu den neuen
                              									komplizierten Spezialmotoren für Drehstrom, die dem Konsumenten in dieser Hinsicht
                              									durchaus keinerlei Vorteile bieten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 4
                              Abb. 5.
                              
                           Die Stromerzeugung könnte ja bei der opportunistischen Rückkehr zum Gleichstrom wie
                              									bisher in den Großkraftwerken, an den Stätten der schwarzen, braunen und weißen
                              									Kohle, in Drehstrom vor sich gehen, wegen der vorteilhafteren
                              									Fortleitungsmöglichkeit desselben in den Hoch- und Höchstspannungsleitungen. Auch
                              									die Umspannwerke für die Mittelspannung müßten zweckmäßig wohl beibehalten werden.
                              									Aber an Stelle der Transformatoren – Stationen für die Gebrauchsspannung und der
                              									Schalthäuser für die Konsumkomplexe wäre der Gedanke gewiß nicht so absurd, ganz
                              									allgemein und prinzipiell für in sich geschlossene Konsumkomplexe zu
                              									Gleichstrom-Zentralen mit Akkumulatoren zurückzukehren, die im Schwerpunkte des
                              									Konsumrayons liegend, Drehstrom aus den Großkraftwerken oder dem Ueberlandnetz als
                              									Betriebskraft beziehen. Für die Gleichstromerzeugung kämen hier folgende
                              									Umwandlungs-Aggregate in Betracht:
                           
                              1. Großgleichrichter mit zugehörigem
                                 										Drehstrom-Transformator.
                              2. Einanker-Umformer mit zugehörigem
                                 										Drehstrom-Transformator.
                              3. Zweimaschinen – Aggregate mit normalem Gleichstrom –
                                 										Generator, entweder als Synchronmotor – Generator oder als
                                 										Asynchronmotor-Generator.
                              
                           Für die Frage „Gleichstrom oder Drehstrom“ ist in erster Linie unter Abwägung
                              									aller Vor- und Nachteile des einen oder anderen Systems wohl der Kostenpunkt von
                              									ausschlaggebender Bedeutung, und zwar sowohl hinsichtlich der Anschaffungs- wie der
                              									Betriebs- und Unterhaltungskosten.
                           Es wäre doch gewiß ein idealer Zustand, wenn wir einmal in unserer gesamten
                              									Elektrizitäts-Wirtschaft im ganzen Deutschen Reiche in allen Stadt- und
                              									Landgemeinden allüberall die gleiche Stromart und die gleiche
                                 										Betriebsspannung hätten. Verwaltungs-, betriebs- und fabrikationstechnisch
                              									würde ein solcher Idealzustand große Vorteile bieten.
                           Hierin herrschen – was ein Blick in die Statistik der Elektrizitätswerke lehrt –
                              									heute aber geradezu trostlose und anarchistische Zustände.
                           Eine größere Anzahl, zum Teil sogar sehr großer städtischer
                              									Gleichstrom-Elektrizitätswerke, besonders solche mit Straßenbahnbetrieb, hat man ja
                              									heute auch in dieser Weise an das Drehstrom-Ueberlandnetz angeschlossen.
                           Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß der Gleichstrom für den Stromkonsumenten
                              									mancherlei Vorzüge besitzt, z.B. für den Betrieb notwendigerweise exakt regelbarer
                              									Motoren für Papiermaschinen und andere Werkzeugmaschinen, ferner für den Betrieb von
                              									Krananlagen (Bremsmagnete!), Bogenlampen, kleinen Bohrmaschinen und anderen
                              									Elektromotor-Werkzeugen. Ganz zu schweigen von elektrolytischen und
                              									galvanoplastischen Anlagen, von Werft- und Bordanlagen für die Kriegs- und
                              									Handelsmarine, von Elektrofahrzeugen, von elektrischer Zugbeleuchtung und anderen
                              									Anlagen, die vorteilhaft nur durch Gleichstrom betrieben werden können. Es gibt wohl
                              									kaum einen praktischen Betrieb, der nicht mit Gleichstrom betrieben werden könnte.
                              									Andererseits gibt es aber – wie vorstehend aufgezählt – eine ganze Reihe von Anlagen
                              									oder Einrichtungen, die gar nicht oder nur mangelhaft mit Wechselstrom oder
                              									Drehstrom betrieben werden können, wenn man von Umformungen in kleinerem oder größerem Maßstabe
                              									absieht. Für den Gleichstrom sprechen außer den vorerwähnten Vorzügen noch die
                              									Möglichkeit der Akkumulatoren-Reserve bei vorübergehenden Betriebsstörungen und der
                              									ideale Spannungsausgleich durch die Batterie, ferner die Vermeidung jeglicher
                              									Hochspannungsgefahr in den Anschlußanlagen, den Betrieben der Stromkonsumenten.
                           Gewiß ist der Drehstrommotor mit Kurzschlußanker wegen seiner geradezu verblüffenden,
                              									Einfachheit und großen Betriebssicherheit – wenn man von dem unerfreulich hohen
                              									Anlauf-Spitzenstrom absieht – ohne Frage der idealste aller Motoren. Jedoch gilt
                              									dieses Idealbild nur mit gewissen Einschränkungen. Er ist nur da verwendbar, wo
                              									keine Regulierung und kein Anlauf mit Vollast gefordert wird und außerdem kommen als
                              									Kurzschlußmotoren mit den gebräuchlichen Anlaß-Einrichtungen (Statoranlasser,
                              									Sterndreieckschalter) doch meist nur kleinere Motoreinheiten, etwa bis 5,5 kW
                              									entsprechend 7,5 PS in Frage, die kaum den Ausschlag in den Erwägungen geben können.
                              									Unter Verwendung von FliehkraftkupplungenEs handelt sich um die folgenden Veröffentlichungen in der Zs. „Chemische
                                       												Apparatur“:I. Zur Berechnung der Dauer von chemischen Reaktionen. Ch. App.XIV, 1927, S, 273–276.II. Zur Theorie des Lösungsvorganges. Ch. App. XV, 1928, S. 73–74,S. 99–100, S. 123–125.III. Zur numerischen Bestimmung der Kristallisationsgeschwindigkeit.Ch. App. erscheint demnächst.Die Kenntnis dieser Abhandlungen wird für das folgende nicht vorausgesetzt;
                                    											sie werden kurz durch die vorgesetzten Nummern I, II, III
                                    										zitiert. als mechanisches Anlaßgerät für Kurzschlußmotoren könnte man
                              									schließlich diesen Motor auch mit voller Nennlast anlaufen lassen.
                           Bei der heutigen, gewiß noch stetig fortschreitenden Vervollkommnung der von den
                              									Elektrizitäts-Großfirmen hergestellten Quecksilberdampf-Großgleichrichter, in bezug
                              									auf absolute Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit, hätte gerade dieser Betrieb,
                              									der den höchsten Wirkungsgrad von allen Umformungs-Möglichkeiten aufweist, und
                              									nur geringer Wartung bedarf, gewiß mancherlei für sich. Um so mehr als die Umformung
                              									von Drehstrom in Gleichstrom beim Quecksilber-Gleichrichter gegenüber anderen
                              									Umformern auch noch den Vorzug geringsten Blindstrom-Verbrauchs hat, was man in den
                              									Drehstrom erzeugenden Kraftwerken gewiß schätzen wird.
                           Es soll hier keineswegs gesagt werden, daß in den Anschlußanlagen nun vollständig mit
                              									dem Drehstrom aufgeräumt werden könne oder müsse. Es wird immer Anschlußanlagen
                              									geben, in denen der Drehstrom seine unzweifelhaften Vorzüge behauptet, wie z.B. in
                              									entlegenen Landgemeinden und Gütern, Zementfabriken, Zuckerfabriken und anderen
                              									entlegenen industriellen Betrieben, in denen man auf die Vorzüge des Drehstromes, wo
                              									diese gegeben sind, nicht gern verzichten will oder aus technischen und
                              									wirtschaftlichen Gründen nicht verzichten kann. Und wenn der cos φ dann in der in
                              									vorstehenden Ausführungen dargelegten paritätischen Verwendung von Drehstrom und
                              									Gleichstrom nicht mehr die verheerenden Wirkungen zeigt, wie heute in der gesamten
                              									Elektrizitäts-Wirtschaft der Ueberland- und Großkraftwerke, dann wird man dem
                              									Drehstrom-Motorbetrieb in angemessenen Grenzen hinsichtlich des
                              									Blindstromverbrauches auch wieder Konzessionen machen können.
                           Der Tag ist vielleicht nicht mehr so fern, an dem der so bewährte Gleichstrom mit
                              									oder ohne Akkumulatoren wieder zu hohen und wohlverdienten Ehren gelangt.