| Titel: | Moderne Messing-Halbzeuge und ihre Einwirkung auf die Preisgestaltung für technische Fabrikate. | 
| Autor: | R. Schulze | 
| Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 49 | 
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                        Moderne Messing-Halbzeuge und ihre Einwirkung auf
                           								die Preisgestaltung für technische Fabrikate.
                        Von R. Schulze,
                           								Mariendorf.
                        SCHULZE, Moderne Messing-Halbzeuge und ihre Einwirkung.
                        
                     
                        
                           Jede Verbilligung von Fabrikaten ist abhängig von der Vereinfachung der
                              									Arbeitsverfahren und der Ersparnis an Zeit und Material. Da alle technischen
                              									Erzeugnisse einen Werdegang vom Rohstoff über das Halbzeug zum Fertigfabrikat
                              									durchmachen, müssen die Verbilligungsmaßnahmen schon beim ersteren beginnen, was
                              									aber bei den Metallen infolge der wenig zu beeinflussenden Bergwerks-Verhältnisse
                              									fast ausgeschlossen ist. Sparmöglichkeiten von sehr großer Tragweite bietet dagegen
                              									die Herstellung der Halbzeuge, bei denen durch technische Verbesserungen zunächst
                              									die in Frage kommenden Verfahren der spanlosen Formung wie Gießen, Walzen,
                              									Schmieden, Ziehen und Pressen zu vereinfachen und die Fabrikate so zu vervollkommnen
                              									sind, daß die nachfolgende spanabhebende Formung und der damit verbundene
                              									Materialverlust auf das niedrigste Maß gebracht werden. In diesem Sinne ist in den
                              									letzten 30 Jahren auch in der Metall-Halbzeug-Industrie gearbeitet worden, wo die
                              									Warmverformung von Messing zur Herstellung von Blechen und nahtlosen Rohren und
                              									später das Warmpressen von Stangen mittels hydraulischer Strangpressen grundlegende
                              									Veränderungen hervorbrachte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 49
                              Abb. 1.Strauchpresse.
                              
                           Besonders bei dem letztgenannten Verfahren sind große
                              									Erfahrungen gesammelt worden, so daß man heute in der Lage ist, selbst die
                              									schwierigsten Profile mit einer Genauigkeit von ± 0,3 mm herzustellen. Abbildung 1 zeigt eine Strangpresse vor der
                              									Beschickung. Unter Ausnutzung der beim Strangpressen festgestellten vorzüglichen
                              									Warmknetbarkeit des Messings ist das Teilpreßverfahren entwickelt worden, dessen
                              									Vorteile in der Weiterverarbeitung der Stangen zu Maschinen- und Apparateteilen
                              									aller Art besteht. Messingpreßteile haben heute eine derartige Vervollkommnung
                              									erlangt, daß sie auf allen technischen Gebieten mit gleichem Erfolg verwendet
                              									werden. Als besondere Vorzüge wären zu nennen: dichtes Gefüge und als Folge
                              									desselben gute mechanische Eigenschaften und hohe Korrosionsbeständigkeit. Ferner
                              									gefällige, zweckentsprechende Formen, die in fast jedem Falle im Vergleich zu
                              									Gußteilen Materialersparnisse mit sich bringen und sauberste Oberflächen, welche
                              									vielfach eine Verwendung der Teile ohne jede Nacharbeit zulassen. Da alle diese
                              									Vorteile im Arbeitsverfahren begründet sind, sollen zunächst die Vorgänge beim
                              									Teilpressen kurz besprochen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 49
                              Abb. 2a.Körniges α + Messinggefüge.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 49
                              Abb. 2b.Nadliges α + β Miessinggefüge.
                              
                           Die hauptsächlich für diesen Zweck verwendeten Messinglegierungen liegen im α- +
                              									β-Gebiet des Systems Cu–Zn und besitzen 58 bis 61 % Kupfer. Diese Legierungen gießt
                              									man zu Rundblöcken von 70 bis 160 kg Gewicht, welche in Stoßöfen auf 700/750° C
                              									erwärmt und in der Strangpresse meist zu Rund- und Flachstangen gepreßt werden. Bei
                              									gewissen Teilen arbeiten Strang- und Teilpresserei Hand in Hand, indem das Profil
                              									der Stange der Form des Preßteiles angepaßt ist, wodurch vielfach ein Arbeitsgang
                              									fortfällt. Da Preßtemperatur, Gefügeausbildung und mechanische Eigenschaften in engem
                              									Zusammenhang stehen, ist die erstere möglichst genau einzuhalten, da es ohnehin
                              									vorkommt, daß am Ende einer gepreßten Stange infolge der Abkühlung während des
                              									Preßvorganges körniges Gefüge entsteht, welches sowohl für die Herstellung von
                              									Preßteilen als auch für die Bearbeitung mit Schneidwerkzeugen ungünstig ist. Abbildung 2 a zeigt solch körniges α- +
                              									β-Messinggefüge vom Ende einer Preßstange, dem in Abbildung
                                 										2 b das normale nadlige α- + β-Gefüge vom
                              									Stangenanfang gegenübergestellt ist. Für die Weiterverarbeitung werden die Stangen
                              									zu Abschnitten zersägt, deren Gewicht dem Stückgewicht des Preßteiles
                              									entspricht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 50
                              Abb. 3.
                              
                           Die Formgebung der Abschnitte erfolgt alsdann ebenfalls bei 700 bis 750° C mittels
                              									stählerner Preßformen in Reibtriebpressen. Zu den oft recht schwierigen Fragen des
                              									zu verarbeitenden Werkstoffes tritt somit die des ausführenden Werkzeuges. Qualität
                              									und Ausbildung des Preßgesenkes sind ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit des
                              									Teilpressereibetriebes. Bei sorgfältiger Behandlung lassen sich mit einem Gesenk
                              									mehrere tausend Teile anfertigen, so daß auch in dieser Beziehung gegenüber Sandguß
                              									erhebliche Verbilligungen entstehen. Je nach der Form des Preßteiles erfolgt seine
                              									Herstellung in einem oder mehreren Arbeitsgängen, wofür natürlich eine entsprechende
                              									Anzahl Werkzeuge nötig sind. Die richtige Angabe der einzelnen Preßstufen setzt
                              									große Erfahrung voraus, da die oft kurzen Uebergänge von schwachen zu starken
                              									Querschnitten die schwierigsten Fließvorgänge ergeben. Die gepreßten Teile werden
                              									mittels Schnittwerkzeugen in Excenterpressen vom Grat befreit, danach in
                              									Salpetersäurelösung gebeizt, schließlich noch ausgebohrt und mit Gewinde versehen
                              									und zum Versand fertig gemacht. Normalerweise wird für Messingpreßteile eine
                              									Maßtoleranz von ± 0,3 mm gefordert, für gewisse Stücke läßt sich durch Nachstauchen
                              									im kalten Zustand eine höhere Genauigkeit erreichen. Die mechanischen Eigenschaften
                              									von Preßmessing sind sehr gut. Während hochwertiger Messingguß nur ca. 22 kg/mm''
                              									Festigkeit bei 10 % Dehnung, Rotguß sogar nur ca. 20 kg/mm'' Festigkeit und 8 %
                              									Dehnung besitzt, erreichen die normalen Preßmessinglegierungen die in der
                              									Tabelle angegebenen Werte:
                           
                              
                                 Material
                                 Festigkeitkg/mm2
                                 Dehnung %L–11,3Ø√q
                                 Härtekg/mm2Kugel 5ØDruck 250/30
                                 Kerbzähigkeitcm kg/mm2
                                 
                              
                                 Schmiedemessing
                                 36
                                 30
                                   75
                                 4,6
                                 
                              
                                 Schraubenmessing
                                 43
                                 22
                                   85
                                 2,4
                                 
                              
                                 Mechanikermessing
                                 45
                                 20
                                   90
                                 2,0
                                 
                              
                                 Armaturmessing
                                 43
                                   3
                                 100
                                 0,8
                                 
                              
                           Die Werte liegen um 100 % und mehr über denen der angeführten
                              									Gußlegierungen. Stücke, für die besonders hochwertiges Material in Frage kommt,
                              									werden aus preßbaren Sondermessingen hergestellt, die für die verschiedensten Zwecke
                              									eigens entwickelt sind. Man setzt dafür den reinen Kupfer-Zinklegierungen zur
                              									Steigerung von Festigkeit und Härte andere Metalle, besonders Mangan, Nickel,
                              									Aluminium, Eisen, Zinn usw. zu. Solche Legierungen erreichen im gepreßten Zustande,
                              									wo von einer Vergütung durch den Arbeitsprozeß kaum gesprochen – werden kann, eine
                              									Festigkeit von 70 bis 75 kg/mm2 und 170 kg/mm2 Härte bei gleichzeitiger Dehnung von 10 bis 15
                              									%. Für Teile, die auf Reibung beansprucht werden, z.B. Gleitplatten, Lagerschalen
                              									und dergl. eignen sich Preßmessinge wegen ihrer hohen Dichte. Durch Versuche ist
                              									festgestellt worden, daß Preßmessing-Lagerschalen einen geringeren Oelverbrauch
                              									haben und nicht so schnell warmlaufen wie solche aus Rotguß. Man führt diesen Erfolg
                              									auf die vorerwähnte Eigenschaft, die die Bildung eines ununterbrochenen Oelschleiers
                              									begünstigt und auf die hohe Wärmeleitfähigkeit zurück. Die Dichtkeit bedingt auch
                              									gute Beständigkeit gegen die Angriffe von Luft, Feuchtigkeit, Salz- und leichten
                              									Säurelösungen sowie Dampf. In bezug auf Luft ist es allerdings vorgekommen, daß bei
                              									starken Verunreinigungen derselben, besonders durch Ammoniakdämpfe, die Preßteile
                              									infolge der in ganz geringem Maße vorhandenen inneren Spannungen im Betriebe Risse
                              									erhielten. Durch Anlassen bei ca. 325° C lassen sich jedoch die Spannungen auslösen
                              									und das Reißen verhindern. Bei laboratoriumsmäßigen Versuchen sind durch Einhängen
                              									von Probestücken aus verschiedenen Legierungen in l % iger H2SO4 – + 3 % iger
                              									NaCl – 5 % iger HN03 und 10% Kalilösung nach 375
                              									Tagen nur geringe Gewichtsverluste festgestellt worden. So zeigte z.B. ein
                              									Mn-Messing mit 3,2 % Mn nach Prüfung mittels 10 % Kalilösung = 0,35 %
                              									Gewichtsverlust, wonach sich dasselbe für gewisse Industriezweige, in denen mit
                              									derartigen Lösungen gearbeitet wird, eignen dürfte. Vorzügliche Beständigkeit
                              									besitzen Preßmessinge ferner gegen Angriffe von Wasser und Naßdampf. Ein Versuch,
                              									bei dem Messingpreßteile und Rotgußteile als Dampfdüsen ausgebildet und an eine
                              									Frischdampfleitung von 8 at angeschlossen wurden, ergab nach 1500 Betriebsstunden
                              									für α- + β- Preßmessing, daß an einer durch aufschlagenden Dampf beanspruchten
                              									Materialstelle die β-Mischkristalle leicht entzinkt waren. Die Rotgußteile zeigten
                              									dagegen als Folge des lockeren Gefüges starke Erosionen. Da diese Beobachtungen
                              									jedoch bei der mikroskopischen Untersuchung unter Anwendung einer 500fachen Vergrößerung
                              									gemacht wurden, sind sie für praktische Verhältnisse bedeutungslos. Nach den
                              									Versuchen kann in bezug auf Dampfbeständigkeit das Preßmessing dem Rotguß als
                              									gleichwertig bezeichnet werden. Die mechanischen Eigenschaften bei Temperaturen bis
                              									zu 300° C sind ebenfalls als gut zu bezeichnen. Abb.
                                 										3 zeigt den Verlauf von Festigkeit, Steckgrenze und Dehnung der
                              									gebräuchlichsten Legierungen Ms 58 und Ms 60 bei Temperaturen bis zu 400° C. Die
                              									eigentliche Erweichung tritt danach erst oberhalb 300° C ein. Auf Grund der
                              									beschriebenen vielseitigen Vorzüge bestehen für Preßmessing sowohl in Stangen- als
                              									auch in Stückform große Verwendungsmöglichkeiten in allen Industriezweigen. Gepreßte
                              									Profilstangen werden als Material für Fensterrahmen im Waggon- und Karosseriebau
                              									sowie in der Textilmaschinen-Industrie für Platinenkopf-Ober- und Unterteile
                              									verarbeitet. Der Automobilbau ist wegen der scharfen ausländischen Konkurrenz seit
                              									Jahren bemüht, alle Vorteile der hochentwickelten Messingpreßteile auszunutzen und
                              									Gußmaterial nach Möglichkeit zu ersetzen. Verarbeitet werden u.a. in großen Mengen
                              									Lagerschalen bis zu ca. 80 mm Wellenstärke, Kupplungen, Vergaserkörper, Gehäuse,
                              									Verschlußkapseln. Die Elektrotechnik benutzt Preßmessing – Freileitungsarmaturen wie
                              									Abspann- und Hängeklemmen und Seilverbinder zum Aufhängen und Spannen der
                              									stromleitenden Seile und Fahrdrähte, außerdem Kabelschuhe, Anschlußstücke,
                              									Kohlentaschen, Steckerteile und dergl. In letzter Zeit hat man Teile von
                              									elektrischen Maschinen bis zu Stückgewichten von ca. 6 kg sowie dünnwandige Gehäuse
                              									für Starkstromkupplungen in sauberster Ausführung hergestellt. Großer Verbrauch
                              									besteht auch bei den als Massenartikel angefertigten elektrischen
                              									Gebrauchsgegenständen. Im allgemeinen Maschinenbau verwendet man neben Lagerschalen,
                              									Kurbeln, Manumetergehäuse-Muttern, Schrauben, Steege und andere Teile. Große
                              									Verwendungsgebiete sind durch den Nachweis der Beständigkeit gegen die Angriffe von
                              									Dampf und der guten Festigkeit bei höheren Temperaturen, ferner im Dampfmaschinenbau
                              									erschlossen worden. Für Teile von stationären Dampfmaschinen wurde Preßmessing schon
                              									früher gebraucht. Neuerdings wird es für Armaturen von Lokomotiven im gesamten
                              									Betriebsbereich der deutschen Reichsbahn verwendet, nach ca. 2 ½ Jahren haben sich
                              									noch keine Nachteile gezeigt. Ueberwurfmuttern, Dichtungslinsen, Durchgangshähne,
                              									Rohrverschraubungen, Uebergangsstücke sowie die schon früher benutzten Teile der
                              									Kunze-Knorr-Bremse (Hahnstücken, Steuerkolben, Buchsen) werden aus Ms 58
                              									hergestellt. Hochbeanspruchte Teile wie Achslagergleitplatten, Lukenfutter und
                              									Lukenpilze bestehen aus Sondermessingen mit Mangan, Nickel oder Aluminiumzusätzen.
                              									Auch in der Metallwaren- sowie in der Uhrenindustrie geht man aus Gründen der
                              									Wirtschaftlichkeit immer mehr zu Messingpreßteilen über. Abbildung 4 zeigt eine Reihe von Preßteilen, die besonders im
                              									Lokomotivbau verwendet werden. Ganz neue Möglichkeiten für das Preßverfahren an sich
                              									haben sich durch die weitere Entwicklung des Apparatebaues und des Automobil- und
                              									Flugwesens ergeben, wo Aluminium und Elektron in immer größerem Maße eingeführt
                              									werden. Beide Werkstoffe sind durch Warmpressen gut zu verarbeiten. Zurzeit stellt
                              									man Teile von Photoapparaten, Schreib- und Rechenmaschinen sowie Staubsaugern her.
                              									Im Verkehrsmaschinenbau werden Lagerböcke, Gehäuse, Verschraubungen und dergl.
                              									verwendet, die aus Leichtmetallen auf preßtechnischem Wege gefertigt sind. Die
                              									schwierigen Werkstoffragen, hervorgerufen durch die enormen Anforderungen auf dem
                              									vorerwähnten Gebiete, sind durch die moderne Metallforschung erfüllt worden, welche
                              									Aluminium- und Elektron-Legierungen entwickelt hat, die geringes Eigengewicht und
                              									vorzügliche mechanische Eigenschaften vereinigen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 344, S. 51
                              Abb. 4.Mesising-Preßteile.
                              
                           Obwohl die Erkenntnis der großen Vorzüge zu umfangreicher Anwendung von Preßmessing
                              									geführt hat, bestehen noch mannigfache Gebrauchsmöglichkeiten, für die im Interesse
                              									der Konkurrenzfähigkeit die Verwertung dieser neuzeitlichen Halbzeuge nur zu
                              									empfehlen ist.