| Titel: | Das neue Wundermetall Beryllium und seine Bedeutung. | 
| Autor: | Fr. W. Landgraeber | 
| Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 217 | 
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                        Das neue Wundermetall Beryllium und seine
                           								Bedeutung.
                        Von Fr. W. Landgraeber.
                        LANDGRAEBER Das neue Wundermetall Beryllium und seine
                           								Bedeutung.
                        
                     
                        
                           Allenthalben macht sich in verschiedenen Industrien die Verwendung eines neuen
                              									Metalls – Beryllium – bemerkbar. Das Hauptausgangsprodukt dieses Wundermetalls ist
                              									das Mineral Beryll. Abarten von Beryll sind die bekannteren Edelsteine Smaragd und
                              									Aquamarin. Reine gelbe Berylle werden seltener als Schmucksteine verwandt. Der
                              									gemeine trübe Beryll ist ein außerordentlich verbreitetes Mineral. Es enthält das
                              									Metall Beryllium.
                           Die Bedeutung des Berylliums liegt vorerst in seiner Eigenschaft als
                              									Legierungsmetall. Legierungen von Beryllium (Be) mit Kupfer weisen unerwartete
                              									Festigkeitsverhältnisse auf. So z.B. haben Kupferlegierungen mit 6,7 % Be eine
                              									größere Härte als Stahl. Be- Cu- Legierungen weisen außerdem den Vorzug auf, daß sie
                              									sich durch Abschrecken und Anlassen vergüten lassen. In weichem Zustande
                              									gestatten sie ein Hämmern, Walzen, Pressen, Ziehen und Stauchen. Bei einer nach
                              									dieser mechanischen Arbeit vorgenommenen Vergütung steigert sich ihre Zugfestigkeit
                              									um das Dreifache und ihre Härte sogar um das Vierfache. Diese Beschaffenheit erhebt
                              									sie weit über die bisherige Güte von Bronzen. Die Zugfestigkeit üblicher Bronzen
                              									beträgt 60-70 kg im Mittel, während vergütete Be-Cu-Legierungen mit 2,5 % Beryllium
                              									eine solche von 135 kg und eine dreiprozentige sogar von 149 kg aufzuweisen hat.
                              									Hinzu kommt noch eine hervorragende Elastizität, die vor allem eine überraschende
                              									Dauerfestigkeit bei Schwingungen zeigt. Sie übertrifft die Schwingungsfestigkeit der
                              									besten Federstahlqualitäten um das Fünffache und die der besten Bronzen um das Zehnfache. In
                              									der Gießereitechnik übertrifft die Verwendung von Beryllium zu Desoxydationszwecken
                              									alle bisher angewandten Mittel an Wirksamkeit. Beim Kupfersandguß genügen einige
                              									hundertstel Prozent, um ein Material zu schaffen, welches gewalztem Elektrolytkupfer
                              									bester Sorte ebenbürtig ist. Kupfer-Berylliumbronzen erhalten überall dort besondere
                              									Bedeutung, wo es darauf ankommt, ein Material von hoher Festigkeit mit starken
                              									elastischen Eigenschaften und erheblicher Ermüdungsfähigkeit zu verwenden.
                              									Berylliumbronze hat unter allen Legierungen die höchste elektrische Leitfähigkeit.
                              									Sie ist daher in elektrotechnischer Hinsicht von hoher Bedeutung, besonders dort, wo
                              									großer Widerstand gegen Schleifbeanspruchung gefordert wird. So z.B. können
                              									Leitungsmaterialien, die wegen der zu verlangenden hohen Festigkeit aus Bronze
                              									angefordert werden müssen, bei Verwendung von Berylliumbronze in halber Stärke
                              									dimensioniert werden. Federnde Konstruktionsteile stellt man dort aus dieser Bronze
                              									her, wo auf Betriebssicherheit besonderer Wert gelegt werden muß. Die
                              									Verschleißfestigkeit ist etwa sechsmal größer als die normaler Bronze. Naturgemäß
                              									wendet man sie vorteilhaft bei Kontaktenfedern elektrischer Lokomotiven mit ihren
                              									dauernden Stoßbeanspruchungen an. Was vom Kupferguß gesagt wurde, gilt auch für
                              									Nickel, um gasdichten und porenfreien Guß zu erhalten. Auch hier setzt man nicht
                              									reines Beryllium zu, sondern eine Vorlegierung mit etwa 10 Prozent Be. Diese neue
                              									Nickellegierung läßt sich vor der Vergütung beliebig mechanisch bearbeiten, ja sogar
                              									vergießen und dann als Guß vergüten.
                           Auf dem Gebiete der Eisen-Beryllium-Legierungen eröffnen sich ganz besondere
                              									Perspektiven. Es haben sich hier durch Verwendung des Mehrstoffsystems Neuheiten
                              									ergeben, die den V2A-Stählen wesenartig sind, sich
                              									aber – und das ist bedeutsam – vergüten lassen. Während sich die sog. nichtrostenden
                              									Stähle so gut wie gar nicht oder nur äußerst schwierig verarbeiten ließen, lassen
                              									die Berylliumstähle dieses ohne weiteres mit sich machen. Hierdurch dürfte eine neue
                              									Aera der nichtrostenden Stähle anbrechen. Die vorbenannte Eigenschaft ist von
                              									unübersehbarer Bedeutung, insofern als uns erstmalig Werkstoffe in die Hand gegeben
                              									werden, die die staunenswerten Eigenschaften miteinander verbinden,
                              									korrosionsbeständig zu sein und sich vergüten zu lassen, womit die bisherigen
                              									Schwierigkeiten, die eine Formgebung erschwerten, überwunden sind. Nicht nur die
                              									elektro- und maschinentechnische Industrie, sondern auch die Flugzeugindustrie, die
                              									Chemische Industrie und der Bergbau bekommen bei Verwendung von Beryllium ein Metall
                              									von nie geahntem Wert. Andere Verwendungsgebiete für Berylliumlegierungen sind dort
                              									vorhanden, wo geringe Wärmeausdehnungskoeffizienten in Betracht kommen, wie in der
                              									Telephontechnik und der Technik des Musikinstrumentenbaues. Obgleich Beryllium eins
                              									der leichtesten aller Metalle ist, kommt es vorderhand für
                              									Beryllium-Aluminium-Legierungen nicht in Frage, da diese die heutigen
                              									Aluminiumlegierungen nicht zu übertreffen vermögen. Hinzu kommt noch, daß der
                              									Preis für Beryllium-Metall einstweilen recht bedeutend ist. Bei Bronzen spielt
                              									dieser keine Rolle, selbst wenn ein Kilogramm 2,5proz. Beryllium-Kupferbronze auf
                              									etwa 25-27 Mark zu stehen kommt.
                           Beryllium hat das spez. Gewicht des Magnesiums und ein silberweißes Aussehen. Obwohl
                              									es als Legierungsmetall hervorragende Bedeutung besitzt, kommt seine Verwendung als
                              									reines Metall vorerst kaum in Frage. Es ist sehr hart, spröde und grobkristallin.
                              									Diese Eigenschaften machen seine Verwendung zu technischen Gebrauchsgegenständen
                              									wenig geeignet. Bei Reinheitsgraden von 99 % ist es heute noch nicht walzoder
                              									ziehbar.
                           Die Gewinnungsmethoden von Beryllium waren bisher sehr umständlich und kostspielig.
                              									Sei: Wöhlers Zeiten hat man versucht, das Metall aus Erzen zu extrahieren. Wöhler
                              									war übrigens der erste, dem das Experiment, das Metall in Freiheit zu setzen,
                              									gelungen ist. Die späteren Versuche in dieser Richtung hatten meist zu große
                              									Verluste an Metall zur Folge, insonderheit diejenigen Methoden, nach denen
                              									Berylliumoxyd aus Erzen hergestellt wurde. Bald ging man dazu über, reines
                              									Beryllium-Metall darzustellen. Während das Verfahren von Lebeau-Osterheld mittels
                              									Elektrolyse von Natrium-Berylliumfluorid wohl Flitter in kompakten Stücken ergibt,
                              									eignet es sich nicht zur Darstellung in größeren Mengen. Das
                              									Elektrisierungsverfahren von Stock, nach welchem das Metall aus einer Barium –
                              									Beryllium – Fluoridschmelze bei ca. 1300 Grad im Tamman- Ofen in größeren Stücken
                              									gewonnen werden konnte, hatte in wirtschaftlicher Hinsicht nicht den gewünschtem
                              									Erfolg. Stock und auch Goldschmidt gebührt das Verdienst, als erste den Weg zur
                              									technischen Berylliumgewinnung gewiesen zu haben.
                           Beim Beryllium versagen infolge hoher Verwandtschaft zum Sauerstoff alle diejenigen
                              									Methoden, die bei anderen Metalloxyden zur Herstellung des Metalls in kompakter Form
                              									angewandt werden können. Seit dem Jahre 1924 wurden von den Forschern Engelhard,
                              									Fischer und Rosenfeld Gewinnungsmethoden ausprobiert, die das Metall in Stücken von
                              									mehreren kg Gewicht herzustellen vermögen. Besondere Verdienste hat sich auf diesem
                              									Gebiete die Siemens-Studiengesellschaft erworben. Ihr gelang die Ausgestaltung
                              									wirtschaftlicher Verfahren zur Gewinnung von Beryllium in besonderem Ausmaße.
                              									Gleichzeitig mit dieser Entwicklung ging eine Verbilligung des neuen Metalls vor
                              									sich. Der Preis für ein Gramm, der früher etwa 200 Mark betrug, erniedrigte sich auf
                              									etwa 1,50 Mk. In Berlin wird gegenwärtig die erste größere Gewinnungsanlage mit
                              									einer jährlichen Anlage von 1000 kg gebaut. Bei einer derartigen Produktion dürfte
                              									sich der Preis auf etwa I Mark pro Gramm verbilligen, und bei einer weiteren
                              									Steigerung auf 10000 kg jährlich, wie geplant ist, auf etwa 300 bis 350 Mk./kg.
                           Wie eingangs bereits erwähnt, wird Beryllium aus Beryll gewonnen. Dieses an und für
                              									sich weit verbreitete Mineral enthält jedoch nur 3, höchstens 5 % des wertvollen
                              									Metalls. Das Metall tritt darin als Beryllium-Aluminium-Silikat auf. Beryll enthält etwa 10 bis 14 %
                              									Berylliumoxyd auf Oxyd umgerechnet. Es müssen daher, um zu dem Metall zu gelangen,
                              									weit über 90 % unhältiges Nebengestein mittels kostspieliger chemischer Verfahren
                              									aufgeschlossen werden. Diese Verfahren, die bereits genügend wirtschaftlich
                              									durchgebildet sind und kaum noch verbilligt werden können, verursachen mit dem
                              									Beschaffungspreis für Erz den verhältnismäßig hohen Preis für Beryllium-Metall. Bei
                              									den wunderbaren Eigenschaften des neuen Metalls wird dieser jedoch gern bezahlt.