Titel: Verheerende Explosion eines Dampfkessels, wahrscheinlich in Folge von Elektricität-Entwikelung.
Fundstelle: Band 79, Jahrgang 1841, Miszellen, S. 233
Verheerende Explosion eines Dampfkessels, wahrscheinlich in Folge von Elektricität-Entwikelung. Ein Brief des Hrn. Jobard enthaͤlt uͤber diese Explosion folgende Details. Wenn die Erzeugung der Elektricitaͤt durch Verdampfung und vorzuͤglich durch theilweise Zersezung des Wassers mittelst rothgluͤhenden Eisens noch in Zweifel gezogen werden koͤnnte, so wuͤrde die Explosion, deren unerhoͤrte Wirkungen wir hier berichten, zu Jedermanns Ueberzeugung genuͤgen. Der Ingenieur, Hr. Tassin, sagte, nachdem er die durch sie angestellten Verheerungen untersucht hatte, daß der Kessel, wenn er mit Pulver angefuͤllt gewesen waͤre, nicht so viel Unheil haͤtte stiften koͤnnen. Folgendes ist der Hergang. Graf Marotte besizt zu Vieux-Valesse eine große Brennerei, deren Motor eine kleine Dampfmaschine von acht Pferdekraͤften, und deren Kessel daher auch von verhaͤltnißmaͤßiger Groͤße ist. Es war ein Cylinder von 4 Fuß Durchmesser und 18 Fuß Laͤnge mit flachem Boden, durch welchen ein großes Heizrohr (tube – foyer) ging; eine in Belgien sehr haͤufig gebrauchte und sehr befriedigende Art von Dampfkesseln. Einige Minuten vor der Explosion besichtigte der Eigenthuͤmer das Manometer, welches 21/2 Atmosphaͤren zeigte, und befahl dem Heizer den Dampf zu steigern, worauf dieser antwortete, daß der Dampf fuͤr die wenige Kraft, die er eben auszuuͤben habe, hinreichend stark sey. Im Uebrigen ging Alles regelmaͤßig und der Kessel hatte Wasser genug. Kaum war Hr. v. Marotte wieder in seiner Privatwohnung angekommen, als eine schrekliche Explosion seine ganze Brennerei vernichtete. – Wir uͤbergehen ihre Verheerungen mit Stillschweigen. Es liegt nun den Physikern ob, diese Erscheinung zu erklaͤren, welche an allen bisher erfundenen Sicherheitsmitteln gegen Explosionen verzweifeln macht, vorzuͤglich an jenem, das, zum Schuz des Nachbarn, in einer 2 Meter diken Mauer besteht. – Wir versuchen folgende Erklaͤrung: da jede Zersezung oder Zustandsveraͤnderung eines Koͤrpers Elektricitaͤt frei macht, so muß dieß auch bei der Verdampfung des Wassers der Fall seyn; weil aber die Dampfkessel niemals vollkommen isolirt sind, so kehrt wohl die Elektricitaͤt, in dem Maaße als sie sich entwikelt, durch die Entladungsgaͤnge wieder zum allgemeinen Reservoir zuruͤk. Waͤre es aber nicht moͤglich, daß die zahlreichen Messingroͤhren in der Brennerei, welche mit dem Kessel in Verbindung stehen, als Ladungsflaschen, als Reservoirs der Elektricitaͤt, die sich innerlich in ihnen angesammelt hatte, gedient haͤtten? Waͤre es nicht auch moͤglich, daß das Asphaltpflaster der Werkstaͤtte auf alle Roͤhren, Kessel, Kuͤhlroͤhren etc., die sich in der Brennerei befanden, isolirend wirke, und daß dann alle diese Apparate, mit elektrischem Fluidum geladen, in der hoͤchsten Spannung sich endlich mit der in Rede stehenden Explosion entladen haͤtten? Es ist wohl zu merken, daß, da die Entladung im Innern des Kessels vorging, es nicht der einfache Schlag war, der die Mauern zersprengte, sondern ein bewaffneter, so zu sagen, mit den beiden Hohlstuͤken des Kessels uͤberkappter Schlag. Der bloße, unbewaffnete Schlag haͤtte bestimmt keine solche Verheerung angestellt. Was ich der Akademie hier vorlege, ist nur eine Hypothese, welche ich, wenn auch nicht fuͤr die richtige, doch als die meinige anspreche. Ist sie richtig, so muͤssen wir nach der Umgestaltung aller unserer gegenwaͤrtigen Ideen und unserer Sicherheitsmittel trachten, um den Explosionen der Dampfkessel vorzubeugen. Denn aus dem Folgenden waͤre zu schließen, daß alle Explosionen von der Elektricitaͤt herbeigefuͤhrt werden, und niemals von dem zunehmenden Druke, gegen welchen so viele unnuͤze Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Folgende Versuche des Hrn. Tassin suchen dieß zu beweisen; und derselbe ist jezt uͤberzeugt, daß durch die zunehmende Spannung niemals ein Kessel plazen kann. Nachdem er einen kugelfoͤrmigen Kessel von Eisenblech von 1/4 engl. Zoll Dike mit Wasser angefuͤllt hatte, ließ er mittelst einer Pumpe den Druk bis auf 36 Atmosphaͤren steigern; von da an fing das Manometer, troz der fortgesezten Arbeit der Pumpe, zu fallen an. Er bemerkte, daß aus dem ganzen Umfang des Kessels feine, durchsichtige Duͤnste aufstiegen und als Nebel wieder niederfielen. Dieß erklaͤrt sich durch das Hin- und Hergleiten der Nietnath der Eisenblechblaͤtter, und die dadurch hervorgebrachte Verlaͤngerung der Nietnagelloͤcher, welche unter dem Zuge der Eisenplatten oval wurden und mehr Wasser austreten ließen, als die Pumpe nachliefern konnte. – Als Hr. Tassin sah, daß er das Plazen des Kessels von starkem Eisenblech nicht zuwege bringt, ließ er auf das Einsteigloch eines andern Kessels mittelst einer Menge gut gebohrter Schrauben eine Eisenblechplatte von der Dike einer einzigen Linie befestigen; nachdem dieser ebenfalls zu einem außerordentlichen Druk gelangt war, woͤlbte sich das Eisenblech, die Schraubenloͤcher verlaͤngerten sich wie beim vorigen Versuche und das Wasser stoß ebenfalls schneller aus, als es nachgeschafft werden konnte. Eben so erfolglos wurde an die Stelle dieses Eisenblechs eine duͤnne Platte Weißblech gebracht, so daß Hr. T. gegenwaͤrtig die Ueberzeugung hat, daß, bei der Zaͤhigkeit des Eisens, durch den in einem Kessel zunehmenden Druk niemals eine Explosion stattfinden kann. Auch glaubt er nicht an die Moͤglichkeit einer mit der Zeit eintretenden Explosion des Wassers in einem leeren, rothgluͤhenden Kessel, indem er diesen gefaͤhrlichen Versuch wiederholt angestellt hat, und keinen andern Erfolg wahrnahm, als daß sich die Oberflaͤche des Kessels nach dem Erkalten warf. Er schreibt daher alle Explosionen, mit wenigen Ausnahmen, dem elektrischen Schlage zu. Jobard. (Echo du monde savant, 1841, No. 601.)