| Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] | 
| Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, Miszellen, S. 48 | 
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                        [Kleinere Mittheilungen.]
                        Kleinere Mittheilungen.
                        
                     
                        
                           Henry Bessemer †.
                           Henry Bessemer, der Erfinder des nach ihm benannten
                              									Verfahrens zur Herstellung von Stahl, ist am 15. März d. J. zu London im 86.
                              									Lebensjahre verstorben. Es geziemt sich wohl, dieser interessanten Persönlichkeit,
                              									deren Wirken mit einer der für die Hüttenindustrie bedeutsamen Errungenschaften der
                              									Technik verknüpft ist, einige Worte zu widmen.
                           Henry Bessemer wurde am 19. Januar 1813 zu Charlton,
                              									Herfortshire, als Sohn eines Mechanikers geboren. Schon in seiner frühesten Jugend
                              									entwickelte er eine grosse Neigung und Begabung für Zeichnen und Modelliren und
                              									begab sich bei seiner hervorragenden technischen Veranlagung vorzugsweise auf das
                              									Gebiet des Maschinenwesens. Seine erste Leistung bestand in der Construction einer
                              									Maschine zur Herstellung von Bronzestaub für Vergoldungszwecke. Weitere Versuche
                              									führten ihn zu zahlreichen Erfindungen und Verbesserungen, für welche er sich die
                              									Patente rechtzeitig sicherte. Zur Zeit des Krimkrieges wurde seine Aufmerksamkeit
                              									auf die Verbesserungsmöglichkeit von Geschützen und Wurfgeschossen gelenkt und bei
                              									dieser Gelegenheit betrat er das Gebiet der Metallurgie, auf dem er seine
                              									weltgeschichtliche Bedeutung erlangen sollte. Es war dies die Erfindung, Roheisen
                              									durch Einführung von Gebläseluft in Stahl zu verwandeln. Ueber diese Neuerung,
                              									welche gegenüber dem bis dahin üblichen, aber schwerfälligen und mühsamen
                              									Puddelprocess einen grossen Fortschritt darstellte, wurde von Bessemer in einer damals gerade stattfindenden
                              									Jahresversammlung der „British Association“ zu Chelthenham Vortrag gehalten.
                              									Die Ansichten der Fachleute über die Zweckmässigkeit und den Nutzen der neuen
                              									Erfindung waren jedoch getheilt; es wurde ihr wenig Werth beigemessen und als
                              									besonders charakteristisch mag erwähnt werden, dass es die „British
                                 										Association“ ablehnte, in den Jahrbüchern der Gesellschaft auf diesen
                              									Vortrag hinzuweisen. Nur wenige Fabrikanten fanden sich bereit, das neue Verfahren
                              									praktisch auszunutzen und zu verwerthen, aber nach fortgesetzten Misserfolgen wollte
                              									sich Niemand mehr damit befassen. Bessemer liess sich
                              									indess nicht beirren, sondern arbeitete rastlos und hartnäckig 2 Jahr lang an der
                              									Weiterausbildung seiner Erfindung, bis es ihm endlich gelang, Stahl zu erblasen, der
                              									zu Schienen ausgewalzt werden konnte. Mannigfache Schwierigkeiten waren zwar noch zu
                              									überwinden, über welche jedoch schliesslich der Gedanke hinweghalf, dem Converter
                              									die Gestalt einer Birne zu geben und in dieser Gestalt hat die Erfindung Bessemer's schliesslich ihren Siegeszug durch die ganze
                              									civilisirte Welt angetreten. Nachdem sich Bessemer
                              									entschlossen, seine Erfindung selbst auszubeuten, verband er sich mit Longsdon und Galloway und
                              									errichtete eine Fabrik in Sheffield. Mit der Ausführung sehr kleiner Aufträge
                              									beginnend, vermochte er sehr bald alle anderen Stahlbereitungsverfahren zu schlagen,
                              									und man beeilte sich, das vor wenig Jahren ausgeschlagene Recht zur Erwerbung des
                              									Verfahrens nunmehr mit bedeutend hohen Summen zu erkaufen. So soll Bessemer durch den Verkauf seiner in allen
                              									Culturstaaten genommenen Patente allein über 25 Millionen Francs erhalten haben.
                              									Während des ersten 14jährigen Bestehens der Fabrik belief sich der Reingewinn auf
                              									nahezu 600 Proc. für das Jahr. Der Umfang seiner erfinderischen Thätigkeit ergibt
                              									sich aus der Thatsache, dass Bessemer nicht weniger als
                              									250000 Francs an Patentgebühren verausgabt haben soll.
                           Weniger glücklich war Bessemer mit der Construction
                              									eines Dampfschiffes, in welchem der Salon und die Kabinen mittels einer dem
                              									Cardanischen Ringe ähnlichen Vorrichtung so aufgehängt waren, dass dieselben auch
                              									bei hohem Seegange stets in unveränderter Lage bleiben und dadurch die Seekrankheit
                              									verhindern sollten. Die Einrichtung bewährte sich jedoch nicht, In späteren Jahren
                              									beschäftigte er sich noch mit der Herstellung von Spiegelteleskopen.
                           Bessemer hat es nach seinen grossartigen Erfolgen
                              									selbstverständlich nicht an äusseren Ehrungen gefehlt. Er wurde von England in den
                              									Ritterstand erhoben; Ehrenmitglied von verschiedenen gelehrten und technischen
                              									Gesellschaften, im Besitze des Ehrenbürgerrechts der Städte London und Hamburg,
                              									sowie einer grossen Anzahl goldener Medaillen von industriellen Gesellschaften und
                              									hohen Ordensauszeichnungen. Für sein verdienstvolles Wirken wird ihm der Dank der
                              									Nachwelt für alle Zeiten gesichert sein. (Glaser's
                                 										Annalen.)